Startseite Archiv Nachricht vom 27. Juli 2019

Den Glauben per Motorrad vertiefen

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Hunderte Biker wollen an einer Wallfahrt durch das Eichsfeld teilnehmen

"Genau hier, auf dieser Zufahrt, kommen die Motorradfahrer an", sagt Cornelia Kurth-Scharf und deutet mit der Hand auf einen Weg. Abgetrennt durch einen bewachsenen Wall, führt er hinter der Wallfahrtskirche "Mariä Verkündigung" in Germershausen entlang, vorbei an der katholischen Bildungsstätte und dem kleinen Augustiner-Konvent zum wuchtigen, unter einer Baumreihe errichteten Freialtar: "Für die Zuschauer gibt es immer viel zu gucken und auch zu hören, wenn die Biker am Ende ihrer Wallfahrt in geschlossener Formation mit ihren Maschinen und Gespannen vorfahren." 

Das Dorf Germershausen liegt inmitten der katholisch geprägten Region Eichsfeld. Hier ist die Wallfahrts-Saison in vollem Gange. Nach einer Wallfahrt für Menschen mit Behinderung im Juni ist für diesen Sonntag (28. Juli) auf dem Höherberg im benachbarten Wollbrandshausen eine Abendmesse mit Fahrzeugsegnung angekündigt. 

Dort, an der "Kapelle zu Ehren der 14 Heiligen Nothelfer", startet eine Woche später auch die Motorradwallfahrt. "Insgesamt haben wir in diesem Jahr neun Wallfahrten", erzählt Kurth-Scharf, die als Ehrenamtliche im neunköpfigen Germershäuser Wallfahrts-Team mitarbeitet. Die Motorrad-Ausfahrt ist eine von zwei ökumenischen Veranstaltungen.

Wallfahrten sind Reisen, Fahrten oder Wanderungen, an deren Ziel eine Pilgerstätte steht. Das Eichsfeld ist eine der wenigen Regionen in Deutschland mit mehr als einem halben Dutzend solcher Wallfahrtsorte. Auf niedersächsischer Seite liegt das Untereichsfeld mit dem Zentrum Duderstadt, das Obereichsfeld um die Städte Heiligenstadt und Worbis gehört zu Thüringen. In der ehemaligen DDR war das Eichsfeld das größte zusammenhängende Gebiet mit einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung.

"Zur Motorradwallfahrt erwarten wir wieder um die 200 Maschinen", sagt Kurth-Scharf. Diese Wallfahrt findet bereits zum sechsten Mal statt. In den vergangenen Jahren kamen die meisten Teilnehmer aus dem südlichen Niedersachsen. Nach dem Reisesegen, den Kaplan Matthias Rejnowski aus Duderstadt und Superintendent Volkmar Keil vom evangelischen Kirchenkreis Harzer Land um 13 Uhr auf dem Höherberg sprechen wollen, werden sich die Biker auf einen rund 100 Kilometer langen Rundkurs begeben.

Die Strecke führt auch durch das thüringische Etzelsbach. In der dortigen Wallfahrtskapelle "St. Mariä Himmelfahrt" feierte Papst Benedikt XVI. am 23. September 2011 mit rund 90.?000 Gläubigen eine Marienvesper. Beim Abschluss der Motorrad-Wallfahrt in Germershausen gibt es im Kirchgarten am späten Nachmittag Kaffee, Kuchen, Gegrilltes, Kaltgetränke - und ein Gebet.

Germershausen habe eine mehr als 300-jährige Wallfahrtstradition, und der Bereich um die Kirche "eine besondere Aura", sagt Kurth-Scharf. Sie erzählt die alte Legende von "Maria in der Wiese", auf die sich die Wallfahrer berufen. Danach sah ein Schäfer aus dem Dorf eines Abends in einem hohlen Baum ein Licht schimmern, am nächsten Tag fand er dort ein Marienbildnis. Der Fundort lag allerdings auf einer Wiese, die häufig von einem Bach überschwemmt wurde. 

Die Germershäuser wollten anlässlich des Fundes eine Kapelle zu Ehren Marias errichten - an einer höher gelegenen Stelle. Doch das bereitgestellte Baumaterial verschwand immer wieder. In einer Nacht beobachteten Männer, wie eine "weiß gekleidete Frau" das Baumaterial an einem Band auf die Wiese zurück zog. Die Kapelle wurde schließlich doch dort gebaut - als Vorläufer der Kirche "Mariä Verkündigung". 

Ergebnisse einer Studie der Universität Göttingen zeigen auf, dass das Wallfahren im Eichsfeld gemeinschaftsstiftend ist. 90 Prozent der Wallfahrer pilgern demnach mit Familie oder Freunden. Die Wallfahrten im Eichsfeld zeichneten sich dadurch aus, gemeinsam auf dem Weg zu sein, miteinander zu feiern und einander zu begegnen, so die Wissenschaftler. Cornelia Kurth-Scharf sagt mit Blick auf die bevorstehenden Motorrad-Wallfahrt: "Es ist doch schön, wenn die Wallfahrer den Glauben mit ihrem Hobby verbinden können."

Reimar Paul (epd)
Bild: Cornelia Kurth-Scharf/ epd-Bild