Startseite Archiv Nachricht vom 02. Juli 2019

Ins Gespräch kommen und Kooperationen ausloten

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Studienreise des KDA nach Thessaloniki

»Crazy, das ist hier alles so crazy!« Mit diesen Worten vermittelte die Taxifahrerin auf dem Weg vom Airport zum Hotel bereits einen ersten und pointierten Eindruck von der Lage, in der sich Griechenland nach Jahren der Finanzkrise befindet. 

Eine kleine Gruppe aus Hannover und dem Rheinland hatte sich auf den Weg nach Thessaloniki gemacht, um mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und mögliche längerfristige Kooperationen auszuloten. Landessozialpfarrer Matthias Jung hatte seine Kontakte zu seinem früheren Wirkungsumfeld genutzt und die Fahrt in Kooperation mit dem KDA Duisburg/Niederrhein organisiert.

»Es waren fünf Tage voller intensiver und spannender Gespräche«, berichtet Jung. »Wir sind überall mit offenen Armen empfangen worden, trotz der extrem schwierigen Situation, in der sich viele Griechinnen und Griechen nach wie vor befinden.«

Die Gruppe besuchte die seit Jahren von Arbeitern besetzte Fabrik vio.me, das Kreativ- und Kunstkollektiv fixinart, die ökumenische Flüchtlingsinitative NAOMI und in Katerini das Selbsthilfeprojekt O Topos Mou, sie sprach mit der Gruppe Pervorladis (»Die Gärtner«) und mit Matthias Hoffmann und Giorgos Theodorakis von der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer.

»Wir haben beeindruckende Frauen und Männer kennengelernt, die in ihren jeweiligen Zusammenhängen versuchen, sich gemeinsam zu unterstützen und zu helfen und zwar über den familiären Rahmen hinaus. Das fällt vielen Griechinnen und Griechen schwer, es gehört nicht zu ihrer Kultur«, erzählt Jung. Doch wo es durch das Engagement und die Initiative Einzelner gelingt, da entstehen hoffnungsvolle und segensreiche Projekte. 

Blick auf ein Fabriktor in der besetzten Fabrik. Bild: Matthias Jung

Ein Beispiel von vielen ist die solidarische Apotheke in Katerini. Elias Tsolakidis hat vor sechs Jahren auf einem brachliegenden Gelände das Projekt O Topos Mou ins Leben gerufen. Alexandros Trapesanlidis zeigt uns die Apotheke: »Hier können Menschen ohne Geld und Krankenversicherung, aber mit Rezept zweimal in Woche von ehrenamtlich tätigen Apothekern kostenlos Medikamente erhalten können. Die Medikamente werden gespendet, viele kommen aus Deutschland.« Dem Projekt ist eine gewisse deutsche Gründlichkeit zu eigen (Elias Tsolakidis arbeitet als Software-Ingenieur für ein deutsches Unternehmen), aber bei der Größe, welche die Apotheke mittlerweile besitzt, ist das kaum anders denkbar. »Die Apotheke ist ein Segen für viele Menschen hier in Katerini und Umgebung, aber zugleich ist es schmerzhaft, ja beschämend, dass innerhalb der EU ein Staat nicht in der Lage ist, viele seiner Bürgerinnen und Bürger mit einer medizinischen Grundversorgung auszustatten«, so Trapesanlidis. 

Einblicke und Einsichten wie diese hat die Gruppe auf ihrer Reise immer wieder machen können. Matthias Jung zieht als Fazit: »Wir reden immer schnell darüber, was in Europa passieren müsste und regen uns darüber auf, dass anscheinend nichts passiert. Deswegen finde ich solche Begegnungsfahrten so wichtig, so spannend und auch bereichernd. Denn erst im Gespräch vor Ort wird deutlich, wie unterschiedlich wir als Europäerinnen und Europäer nicht nur denken, sondern vor allem auch empfinden. Und trotzdem ist da eine Idee von Europa im Hintergrund, an der wir arbeiten müssen. Und das heißt für mich vor allem: zuhören, von mir erzählen, Gemeinsamkeiten erkennen, Unterschiede benennen. Dann entsteht so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl, vielleicht sogar auch ein Gefühl von Verantwortung füreinander und miteinander. Das erlebe ich nicht, wenn ich in der Zeitung über Griechenland lese.«

Daher sind bereits weitere Schritte angedacht. Elias Tsolakidis ist bereit, in der zweiten Jahreshälfte zu einem Vortrag nach Hannover zu kommen, um O Topos Mou vorzustellen. Und eine erneute Fahrt nach Thessaloniki könnte 2021 stattfinden.

Matthias Jung, Landessozialpfarrer
Alexandros Trapesanlidis sortiert und katalogisiert in der Apotheke die gespendeten Medikamente. Bild: Matthias Jung

Landessozialpfarrer Matthias Jung hat auf seinem Blog die Reise ausführlich beschrieben.