Startseite Archiv Nachricht vom 21. Juli 2017

Sprengelfrüchte Teil 4: Ein Besuch bei einem evangelisch-muslimischen Ehepaar in Barnstorf

Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de

Barnsdorf. Was bedeutet es, wenn zwei gläubige Menschen aufeinander treffen und sich verlieben? Soweit so gut. Aber was passiert, wenn sie unterschiedlichen Religionen angehören? Rüdiger Fäth aus Barnstorf ist evangelisch, seine Ehefrau Maha Fäth ist Muslimin. Wie sieht der Alltag der Fäths aus? Und wie haben ihre Familien auf die Verbindung reagiert? Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier hat die Fäths in Barnstorf besucht. Mit dabei: die Jahreslosung „Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“

„Eigentlich war es vollkommen unromantisch“, sagt Maha Fäth und lacht. Sie traf ihren späteren Ehemann Rüdiger zum ersten Mal im Jahr 2009 bei einer Mediation: Sie als Teilnehmerin, er als Mediator. Dass dieser Mann einmal ihr Ehemann werden würde, das war für die gebürtige Libanesin damals unvorstellbar.

Wer den Fäths heute begegnet, auf den wirken die beiden immer noch wie frisch verliebt. Nach dem ersten Treffen im Büro von Rüdiger Fäth dauerte es schließlich noch einige Jahre, bis die beiden ein Paar wurden. Im Sommer 2015 joggte Maha Fäth zufällig am Büro des Diakons vorbei, als dieser Feierabend machte. Dann endlich folgte die erste Verabredung. Seit zwei Jahren sind die Fäths nun ein Paar; vor einem Jahr haben sie standesamtlich geheiratet. In diesen Tagen wollen sie sich in einem Gemeindegottesdienst segnen lassen.

Auf einem Regal über dem Ecksofa im Wohnzimmer des Hauses im Zentrum von Barnstorf ist eine kleine Galerie aufgebaut. „Das sind unsere sechs Kinder“, sagt Maha Fäth stolz. Rüdiger Fäth hat eine erwachsene Tochter mit in die Ehe gebracht, die 43-jährige Maha hat fünf Kinder – im Alter zwischen neun und 23 Jahren.

 

Birgit Klostermeier: Die Jahreslosung hat mit dem Herz zu tun, und mit dem Geist. Was bedeutet es für Ihr Zusammenleben, aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu kommen?

Rüdiger Fäth: Als ich Maha kennen lernte, da hatte ich schon seit Jahren keine rechte Verbindung mehr zu Christus. Jesus Christus war mir einfach irgendwie weggerutscht. Deshalb kamen mir natürlich Zweifel: „Wenn ich mit einer muslimischen Frau zusammen bin, kann es dann nicht passieren, dass ich meines Gottes verlustig gehe?“ Das waren meine Gedanken. Und genau das Gegenteil ist passiert.

Maha Fäth: Ich bin kein Mensch, der fünf Mal am Tag betet. Ich faste auch nicht während des Ramadan. Der Grund, warum ich es nicht tue, ist nicht, dass ich nicht glaube, sondern dass mir die Gemeinschaft fehlt – deshalb macht es für mich keinen Sinn. Und deshalb gehe ich gern mit Rüdiger in die Kirche. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten.

Rüdiger Fäth: Der Ausdruck „Maschallah“ zum Beispiel, der wird in der arabischen Welt gebraucht für „Wie Gott es will“ – parallel zu unserem „Herr, Dein Wille geschehe.“

Regelmäßigen Kontakt zu einer Moscheegemeinde hat Maha Fäth nicht. Die Gemeinde in Barnstorf ist sunnitisch; Fäth aber ist Schiitin. Außerdem sei die Trennung von ihrem ersten Ehemann dort nicht besonders gut angekommen, sagt sie.

 

Birgit Klostermeier: Frau Fäth, was bedeutet es denn für Ihre Kinder, dass sie nun mit einem Mann zusammen leben, der bewusst evangelisch ist und auch noch in der Kirche arbeitet?

Maha Fäth: Wir waren vor einiger Zeit mit meinem jüngsten Sohn Samir in der Kirche. Als er Jesus am Kreuz sah, über dem Altar, rief er völlig entsetzt: „Mama, guck mal – da hängt ja ein Toter!“ Das war für ihn natürlich völlig neu. Und ich muss sagen, dass Jesus am Kreuz stirbt, das kennen wir aus dem Koran nicht. Das ist auch mir bis heute fremd.

Rüdiger Fäth: Samir hat vor kurzem im evangelischen Religionsunterricht etwas geschrieben, das mir doch bekannt vorkam. Wir hatten vorher darüber gesprochen, was bei einer Konfirmation passiert. Und prompt schrieb Samir in seiner Klassenarbeit: „Bei der Konfirmation gibt´s viele Geschenke. Das ist aber nicht das Wichtigste. Schlecht ist es aber auch nicht.“ (lacht)

Der Vater von Rüdiger Fäth ist 91 Jahre alt. Es dauerte nicht lange, bis sein Sohn wusste, dass sein Vater mit der Wahl seiner neuen Lebensgefährtin einverstanden war. „`Weißt Du, wenn meine Frau Dich noch kennen gelernt hätte, Ihr hättet gut zusammen gepasst!´ - Als mein Vater diese Worte zu Maha sagte, da wusste ich, dass er ihr kein größeres Kompliment hätte machen können“, sagt Rüdiger Fäth heute. Als er Maha das erste Mal zu seinem Vater mitbrachte, da war nicht deren Glaube ein Thema, sondern ihre Herkunft, ihre Sprache: „Meinst Du, sie versteht mich?“ – das war die Frage, die Maha Fäths Schwiegervater damals am meisten beschäftigte. Dabei spricht die 43-Jährige fließend deutsch.

Maha Fäth ist 1992 als 18-Jährige nach Deutschland gekommen, mit ihrem ersten Ehemann. Vor einigen Jahren hat sich als Tagesmutter und Kleinstkindpädagogin selbständig gemacht. Nach ihrer Hochzeit ist Rüdiger Fäth bei Maha und ihren fünf Kindern, von denen vier noch zu Hause leben, eingezogen. „Ein bisschen war es wie bei `Ich heirate eine Familie´ sagt er und lacht – nur dass in der Fernsehserie aus den Achtziger Jahren der Mann bereits das Haus hatte.

 

Birgit Klostermeier: Welche Rolle hat der Glaube in Ihrer Familie gespielt, als Sie Kind waren?

Maha Fäth: Ich komme aus einer sehr gläubigen Familie. Gott, der Glaube und das Beten – das spielte für uns eine sehr große Rolle im Alltag. Allerdings habe ich nie die Freiheit bekommen, mir ein eigenes Bild von Gott zu machen. Es gab viele Verbote und den erhobenen Zeigefinger. Ich habe den Koran sicher zwei Mal durchgelesen. Manche Dinge konnte ich nachvollziehen, andere nicht. Später habe ich geglaubt, der Glaube wäre mir egal. Ich habe keine Verbindung mehr gespürt. Und dann kam Rüdiger.

Rüdiger Fäth: Mir ging es genau so. Irgendwann hatte ich mich von der pietistischen Erweckungsgemeinde in Ostwestfalen, aus der ich komme, emanzipiert. Und dann hatte ich das Gefühl, meine Wurzeln verloren zu haben. Hier im Kirchenkreis habe ich dann fromme Gemeinden erlebt, mit deren theologischen Aussagen ich nicht immer übereinstimmte, deren Personen aber völlig authentisch waren.

Rüdiger Fäth zeigt eine Ledergebundene Bibel, die seine Ehefrau ihm geschenkt hat. Er lässt den weichen Einband durch seine Hände gleiten.

 

Birgit Klostermeier: Herr Fäth, Sie haben eben gesagt, Sie hatten zunächst die Befürchtung, sich durch eine muslimische Partnerin weiter von Christus zu entfernen, und dann sei genau das Gegenteil passiert. Was meinen Sie damit?

Rüdiger Fäth: Maha und ich sprechen viel über den Glauben. Wenn ich ihr eine Predigt vorlese, die ich für die Prädikatenausbildung geschrieben habe, dann ist sie auch meine beste Kritikerin! (lacht) Im Ernst: Ihre Kritik hat Hand und Fuß. Für mich ist es auch spannend, ihr zuzuhören, wie sie vom Glauben erzählt. Ich habe von ihr gelernt, dass es Wichtigeres gibt als Fakten; dass man Dinge glaubt, die man intellektuell gar nicht vermitteln kann. Auf der anderen Seite muss der Islam interpretationsfähig sein und bleiben.

Maha Fäth telefoniert regelmäßig mit ihrer Tante im Libanon. Die Tante ist religiös, sie fragt viel, und sie hat ihre Nichte auch gewarnt, ihren Glauben in dem fremden Land nicht zu verlieren.

Maha Fäth: Rüdiger und ich sprechen auch oft über die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Islam. Ich entdecke viele davon. Früher dachte ich, der Glaube wäre mir egal. Seitdem wir soviel darüber reden, ist er wieder da. Ich kann mit Gott jetzt wieder etwas anfangen. Es ist wie eine Versöhnung. Im Islam gibt es diese Vaterfigur Gottes nicht. Und das gefällt mir im Christentum so gut: ein Vater ist gut, er trägt Verantwortung. Das sage ich auch meiner Tante.

 

Katharina Lohmeyer
Sprengelfruechte_4_Bild_2
Maha Fäth hat ihrem Mann diese Bibel mit Ledereinband geschenkt. Sie bedeutet ihm viel. Bild: Katharina Lohmeyer

Weitere Informationen

Mit den Worten aktuelle Jahreslosung im Gepäck ist Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier in diesem Jahr zum zweiten Mal im Sprengel Osnabrück unterwegs . Sie besucht das ganze Jahr über verschiedene Einrichtungen und Initiativen. Dabei trifft sie Ehrenamtliche, Organisatoren, Seelsorger und Betreuer. Mit der Reihe „Sprengelfrüchte“ will die Regionalbischöfin zeigen, wie vielseitig das Engagement im Sprengel Osnabrück ist – zwischen Syke und Glandorf, zwischen Diepholz und Melle.