Der Menschenfischer vom Campingplatz
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Wietzendorf/Heidekreis. Bernd Knobloch hängt sich das Kopfmikrofon über. Der 64-Jährige greift zur Gitarre und dreht die Musikanlage auf. Noch bevor der Diakon mit dem kurzgestutzten Vollbart sein "Hallo, Hallo, Hallo" anstimmt, fliegen Kinderhände in die Höhe. Mehrere Mädchen und Jungen wollen auf die Bühne und dort die Texttafeln mit dem Begrüßungslied hoch halten. Für manche ist der "Treff für Kids" im Kirchenzelt auf dem Campingplatz Südseecamp schon zum zweiten Zuhause während ihres Urlaubs in der Lüneburger Heide geworden.
Seit mehr als 20 Jahren lädt Bernd Knobloch auf dem Platz in Wietzendorf bei Soltau zu Veranstaltungen wie "Gute-Nacht-Geschichten" ein, in dieser Saison zum letzten Mal vor seinem Ruhestand. Der Urlauberseelsorger ist Teamleiter von rund 30 Ehrenamtlichen, Gastgeber und vorne im großen Rundzelt so etwas wie ein Showmaster zwischen Rudi Carrell und Michael Schanze.
Beim Ratespiel "Eins, zwei oder drei" stellt er auf der Bühne die Fragen. Bei einem Puppentheater erzählt er Geschichten aus der Bibel, diesmal vom "Verlorenen Sohn" - mit einem Schwein als Hauptfigur. Das Motto für seine Arbeit habe er von einem Bekannten übernommen, erzählt er. Die vier "M" nannte der Geschäftsmann das Geheimnis seines Erfolges. "Man muss Menschen mögen", gibt es Knobloch wieder. "Wenn das für die Geschäftswelt gilt, gilt es für die Kirche erst recht."
Bernd Knobloch kann Figuren aus Ballons falten oder Riesenseifenblasen schweben lassen. Mit seinen Töchtern hat er mehrere CDs mit im Kirchenzelt beliebten Liedern aufgenommen. Doch wichtiger sei seine Haltung zu den Kindern, sagt Camperin Astrid Breher-Grönemeier. Ihr Sohn Shawn hat gerade einen der begehrten Jobs auf der Bühne ergattert. Beim Puppenspiel bedient er den Vorhang und bekommt einen Extra-Applaus. So im Mittelpunkt zu stehen, sei für den Zehnjährigen nicht selbstverständlich, sagt seine Mutter. Shawn ist Asperger-Autist. "Aber hier fühlt er sich wohl. Er merkt es immer gleich, wenn jemand es ehrlich mit ihm meint."
Obwohl der Campingplatz selbst parallel Animation anbietet, sind fast 100 Kinder und Eltern zum kirchlichen Treff am Vormittag gekommen. Einige Familien kennt Knobloch seit Jahren. "Du kannst nicht in den Ruhestand gehen, ich bin doch bei dir groß geworden", habe ihm kürzlich eine 15-Jährige gesagt, berichtet er. "Das geht einem dann schon an die Nieren." Noch sucht die Kirche nach einer Nachfolgerin oder einen Nachfolger für den Diakon.
Während die Kinder an Fischen, Kreuzen und Herzen aus Speckstein schleifen, kommt Knobloch mit Shawns Vater ins Gespräch. Michael Breher will mehr darüber wissen, was es mit dem Fisch als Symbol des Christentums auf sich hat. "Die Kinder sind auch Türöffner für die Eltern", sagt Knobloch. Beim abendlichen Lagerfeuer oder nach dem Gottesdienst entwickle sich manchmal ein tiefes Gespräch, vor allem dann, wenn Lebensfragen obenanstehen, etwa weil jemand einen nahestehenden Menschen verloren hat.
Die persönlichen Kontakte werden ihm am meisten fehlen, blickt der Urlauberseelsorger voraus. Oft hat sich seine ganze Familie mit auf dem Campingplatz engagiert. Knobloch hat erst Landwirt gelernt und sollte den elterlichen Hof übernehmen. Als er sich dann für die Arbeit bei der Kirche entschied, war das vor allem für seinen Vater schmerzhaft. "Das war ganz schlimm", sagt der Diakon, der erst in der Zeltmission, dann in einer Kirchengemeinde und seit 1995 bei der "Kirche unterwegs" arbeitete. "Aber es war richtig für mich."
epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen