Startseite Archiv Nachricht vom 02. Juli 2017

"Es sind die leisen Dinge, die wirken"

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"Die Kapseln der Wasserflaschen im Empfangsraum sind je nach Kohlensäureanteil beschriftet mit den Worten „laut“ oder „leise“. Eine Entscheidung, die die ehrenamtlich  Mitwirkenden im Erlebnisraum Taufe im Sekundentakt zu treffen haben: Laut oder leise, Sprechen oder Schweigen, Anregen oder Ruhenlassen, Zulächeln oder Anteilnehmen.

Dabei  Herausforderungen standhalten: Immer: Aufmerksam sein. Immer: die Beziehung einschätzen. Immer: in und mit dem Raum zusammen die nächsten Handlungen gestalten.

Eine Woche lang mehrstündige Aufenthalte in den Räumen haben mich geprüft und zum Ende hin gelassener werden lassen. Ich habe gelernt, mich auf den unterschiedlichen Positionen einzurichten und dabei die Kreativität der Rauminstallation aufzusaugen und umzusetzen.

Die Räume sind für uns Mitwirkende keine Erholungsräume. In ihnen wird eine Aufgabe entwickelt, der wir uns unterordnen müssen. Eitelkeit, Selbstdarstellung oder Freizeitlaune haben keine Chance. Es geht um das Erlebnis Taufe als Chance zum Erleben für unsere Besucher, und wir sind als Mitwirkende im Raum zusammen mit dem Raum ein Teil des Erlebnisprozesses.

Es ist spannend, sich in der Wahrnehmung des Raumes auf Details einzulassen: da stimmt alles! Die Farben vom Blau des Eingangsraums bis hin zu den warmen Tönen im Taufraum, die schmeichelnde Beschaffenheit der Stoffe, die unterschiedliche Bequemlichkeit der Sitze, das durchlässige Licht der beschrifteten Transparente, die orchestrale Musik mal als Hintergrund, mal als laute Herausforderung empfunden … selbst die Farbe der Wasserflaschen fügt sich in die Innenarchitektur. Dies alles bedarf der Achtung und Pflege: das Taufwasser, der Teppich, die Tablets. Selbst die Signalpunkte an den Stühlen im Dunkelraum fordern eine Aufladung.

Alle Mitwirkenden sind aufgerufen, Ihre Positionen stündlich zu wechseln, um der Fülle der Aufgaben begegnen zu können. Hatte ich Lust auf Kommunikation, Wetter und Kontakt bat ich darum, vor der Eingangstür arbeiten zu können. Auch hier stimmt jedes Detail: vom Stehpult, welches das Stehen unterstützt und daher ermöglicht, in voller Körpergröße die Gäste zu begrüßen und zu beschenken  (wer tät dies zu Hause im Sitzen?) bis hin zu den farblich passenden Filzdecken, die Besuchern das Warten auf den Fensterbänken erleichtern.

Wollte ich beschäftigt sein, war der Empfangsraum der geeignete Raum, weil er nicht nur Gepäck- und Zählstelle sondern auch Ruheort, Informationszentrum und Schreibtisch der Selbstvergewisserung sein soll – multitasking auch für die Mitwirkenden und damit ein Proberaum für Übungen in Gelassenheit.

Im Filmraum tätig zu sein, brachte mich in Auseinandersetzung mit meinem Unbewussten. Es empfiehlt sich daher ein dosierter Umgang mit den Bildern. Das Erlebnis Film wird noch verstärkt dadurch, dass wir nicht wie die Gäste entspannt sitzend oder auf dem Boden liegend ohne Bezug zu Raum und Zeit hören und betrachten können, sondern stets bereit sein sollten, die Besucher anzuleiten hin zu dem letzten Raum … ein bewusstes Finale.

Ich habe immer in der Ecke vor dem Ausgang gesessen, um den eintretenden Besuchern die Gelegenheit zu geben, allein die kraftvolle Wirkung des alten Taufsteins zu erfahren. Der Wunsch, an diesem Taufstein zu handeln, eine Erinnerung hervorzuholen oder ihren Glauben zu bekräftigen, entstand bei den meisten Besuchern ohne Anregung. Ich habe die Erfahrung gemacht, in dem Moment  der  Beziehung selbst die richtigen Worte zur Tauferinnerung gefunden zu haben … der geschützte Raum  und der monumentale runde Stein, an dem über 500 Jahre Segnungen stattgefunden hatten, stellte uns alle gemeinsam in eine jahrhundertealte Tradition.

An jedem Ort im Erlebnisraum sind Erfahrungen von Kontemplation möglich. Wir sind nicht für die Emotionen der Besucher verantwortlich, aber die Räume mit ihrer einladenden klar strukturierten Ausstattung ermöglichen sie. Auch für uns selbst. Wir Mitwirkende sind Teil des Ganzen, die sich in den Dienst der Idee des Raums und des Erlebnisprozesses stellen … und wir spüren: Es sind die leisen Dinge, die wirken."

Prof. Dr. Sabine Brombach
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Deckel der Wasserflaschen im ErlebnisRaum Taufe. Bild: Nadine Biere

Die Autorin

Sabine Brombach betreute für eine Woche gemeinsam mit sieben anderen Ehrenamtlichen die Besucherinnen und Besucher des ErlebnisRaum Taufe auf der Weltausstellung Reformation in Wittenberg. Hier schildert sie ihre Eindrücke.

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Sabine Brombach, Nadine Biere und Hannelore Gerstenkorn (von rechts nach links) waren Teil des Teams von Ehrenamtlichen im ErlebnisRaum Taufe. Bild: Tüpker