Diakonie: Mehr Behinderte sollen aus Werkstätten in den Arbeitsmarkt
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Hannover (epd). Die Diakonie in Niedersachsen fordert vom Gesetzgeber, der Wirtschaft und den Behindertenwerkstätten mehr Anstrengungen zur Vermittlung von behinderten Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. Tatsächlich würden bislang weniger als 0,2 Prozent derjenigen, die in den Werkstätten tätig seien, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis vermittelt, sagte der Bereichsleiter Behindertenhilfe der Diakonie in Niedersachsen, Jörg Reuter-Radatz, am Montag dem epd.
Als erstes sollte der Bund nach Ansicht des Experten die Ausgleichsabgabe anheben, die Unternehmen zahlen müssten, wenn sie keine Behinderten beschäftigten. Zudem müssten potenzielle Arbeitgeber besser über die organisatorischen und rechtlichen Bedingungen beraten werden. "Viele scheuen den bürokratischen Aufwand und zahlen lieber die Abgabe. Sie fürchten, dass ein behinderter Arbeitnehmer häufiger krank und nur schwer kündbar ist."
Aber auch die Betreiber der Werkstätten müssten ihrem Auftrag besser gerecht werden, die bei ihnen beschäftigten Menschen möglichst in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, verlangte Reuter-Radatz. Sie sollten die Behinderten in gestaffelten Modulen ausbilden und ihnen die Möglichkeit geben, einen entsprechenden Nachweis zu erwerben. Das würde Firmen helfen, deren Fähigkeiten besser einzuschätzen.
Andererseits müssten die Werkstätten dann auch einen finanziellen Ausgleich dafür bekommen, dass sie ihre leistungsstarken Arbeitskräfte abgäben. Damit nahm der Diakonie-Experte die Werkstatt-Betreiber gegen Kritik der Landesbehinderten-Beauftragten Petra Wontorra in Schutz. Sie hatte gegenüber der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe) ebenfalls die niedrige Vermittlungsquote kritisiert. 50 der 78 Werkstätten im Land hätten nicht einen einzigen Mitarbeiter abgegeben. Gleichzeitig sei die Zahl der Werkstattbeschäftigten auf mehr als 33.000 gestiegen. Wontorra mutmaßte, die Betreiber behielten ihre Leistungsträger gern selbst und verdienten an ihnen.
Grundsätzlich arbeiteten in den Werkstätten fast ausschließlich Menschen mit einer wesentlichen Behinderung, mehr als 80 Prozent von ihnen seien geistig behindert, betonte Reuter-Radatz. Immer häufiger seien auch Menschen mit einer Suchterkrankung oder mit psychischen Problemen darunter, die bereits auf dem ersten Arbeitsmarkt gescheitert seien.
All diese Personengruppen seien schwer in Unternehmen oder Behörden zu vermitteln, zumal sich der Arbeitsmarkt durch die zunehmende Digitalisierung schnell verändere, erläuterte Reuter-Radatz: "Menschen die etwa Akten transportieren, werden kaum noch benötigt."
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