Diakonie-Vorstandssprecher: Mit Unterschieden leben lernen
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Hannover (epd). Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie in Niedersachsen, Christoph Künkel, beobachtet mit Sorge eine "Explosionskraft rassistischen Denkens" in Europa. Die Erfolge der AfD sowie vergleichbarer Parteien und Meinungsführer in anderen Ländern seien Besorgnis erregend, sagte der evangelische Theologe im epd-Gespräch. Es reiche aber nicht, dem täglichen Rassismus allein das Ideal einer bunten multikulturellen Gesellschaft entgegenzusetzen: "Ich glaube, wir müssen stärker lernen, auch mit bereits bestehenden Unterschieden und Konfrontationen zu leben."
Das fange schon damit an, dass sich das Straßenbild in Deutschland verändert habe. Auch er habe sich zunächst nur langsam an Frauen mit Kopftüchern an den Kassen der Supermärkte gewöhnen können. Genau darum gehe es aber, betonte Künkel: "Wir müssen alle begreifen, dass unsere Identität nicht dadurch beeinträchtigt wird, wenn auch andere ethnische Gruppen ihre Identitäten mitbringen und sich daraus etwas neu zusammenfügt."
Das im vergangenen Sommer propagierte und gelebte Willkommen müsse nun im Alltag gelebt werden. Jetzt heiße das Leitthema Integration. "Aber keiner hat eine letztgültige Antwort darauf, wie Integration im Alltag umgesetzt werden kann", sagte Künkel. Das gelte im Übrigen auch für die Kirchen und die Diakonie, die in ihrer täglichen Arbeit vor ganz praktischen Fragen stünden: "Heißt Integration für uns als evangelische Kirche, dass wir künftig in unseren Altenheimen einen Gebetsraum für muslimische Bewohner einrichten? Wohin führt uns in unseren Kindertagesstätten der gemeinsam gelebte Glauben muslimischer und christlicher Kinder?"
Die Kirchen bildeten wie alle Religionen eine Überzeugungsgemeinschaft, für die nicht religiöse Vielfalt, sondern der je eigene Glauben bestimmend sei. "Sind wir damit vielleicht sogar in der Tendenz integrationsfeindlich?", sagte der Oberlandeskirchenrat. Die Angst vor der Vermischung verschiedener Religionen, dem sogenannten Synkretismus, sei jedenfalls in allen religiösen Gemeinschaften hoch. Dies sei aber eine ideologische Frage, die nicht die konkrete Arbeit mit Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden berühre.
Was bislang von den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchen für die angekommenen Flüchtlinge geleistet worden sei, könne gar nicht hoch genug geschätzt werden. Nun gelte es, die Integration voranzubringen, betonte Künkel. "Das bedeutet: harte Arbeit, einen langen Atem und auch den Mut, Auseinandersetzungen um unsere Kultur und Werte zu führen. Wenn dann alle gelernt haben, mit Unterschieden zu leben, ist der wichtigste Schritt geschafft."
epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen