«Es weitet meine Seele» - Pensionierte Pfarrer helfen in der Ferienzeit im Osten Deutschlands
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Eigentlich sind diese Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand, aber sie wollen noch etwas geben: Ihren Zehnten, in Form von Zeit. Die Evangelische Zehntgemeinschaft organisiert Vertretungen für Pfarrer in Ostdeutschland.
Jerichow (epd). Inge Schmidt begegnet allen Besuchern in der Klosterkirche in Jerichow in Sachsen-Anhalt mit einem strahlenden Lächeln. Ein Mann, der sich lange umgesehen hat, kommt vorsichtig zu ihrem Platz: «Ich habe da mal eine Frage: Diese Evangelische Zehntgemeinschaft, was ist das denn genau?» Inge Schmidt ist selbst Teil davon und sie erklärt gern: «Wir geben den Zehnten an Zeit.» Pfarrer, die im Ruhestand sind, unterstützen insbesondere in strukturschwachen Regionen die dortigen Pfarrer, unter anderem in der Urlaubszeit.
Seit 13 Jahren ist Inge Schmidt, die in Berlin lebt, eine der Ruheständlerinnen, die die aktiven Pfarrer entlasten will und ehrenamtlich Gastdienste absolviert. Die rund 70 Mitglieder der Gemeinschaft kommen in erster Linie aus westdeutschen Großstädten, sagt Schmidt. 38 seien in diesem Jahr als Gastpfarrer vermittelt worden. Für diese Großstädter sei es natürlich auch etwas Besonderes, auf dem Land tätig zu werden. Vieles funktioniert hier einfach anders. Schmidt sagt: «Wir wollen uns noch nicht zur Ruhe setzen.»
Der Sommerdienst in Jerichow, wo die Zehntgemeinschaft ihren Sitz hat, ist neben den Aushilfsstellen in den Dörfern etwas Besonderes.
Zwei pensionierte Pfarrer bieten von Juni bis September in der Klosterkirche Morgen-, Mittags- und Abendgebete an. Zudem steht einer immer für Gespräche bereit.
In den Dörfern können die pensionierten Pfarrer der Zehntgemeinschaft das tägliche Geschäft übernehmen: Taufen, Trauungen, Seelsorge, Beerdigungen. Auch dies hat Schmidt schon getan, zudem war sie auch einige Zeit aushilfsweise als Krankenhausseelsorgerin in Suhl in Thüringen im Einsatz.
Inge Schmidt liebt den romanischen Kirchenbau in Jerichow über alles. Sie schwärmt davon. Vor Jahren hat sie einen Spruch im Gästebuch gelesen, an den sie auch heute noch denkt: «Wenn Gott irgendwo wohnt, dann hier.»
Das Kloster, ein Stift des Ordens der Prämonstratenser, gilt als der älteste Backsteinbau östlich der Elbe und liegt an der Straße der Romanik. Jährlich werden etwa 30.000 Besucher gezählt. In diesem Sommer scheint das Kloster allerdings etwas abgeschnitten, Baustellen und Straßensperrungen ringsherum haben die Anreise beschwerlicher gemacht.
Nicht immer gelingt es, die Besucher auch zur Andacht einzuladen.
«Manche kommen nur kurz rein, schauen und gehen wieder», erzählt Schmidt. Eine Ausrede, die die 77-Jährige häufig hört: «Wir sind nur auf der Durchreise.» Aber es gibt auch zahlreiche interessante und schöne Begegnungen, wie die mit den Radfahrern, die meinten, jetzt könnten sie mit dem Segen Gottes weiterfahren. Das freut Inge Schmidt.
Ein älterer Mann aus Hamburg stellt sich kurz vor. Er sei mit seinem Begleiter von Königstein aus die Elbe entlang gepaddelt: «Wir machen immer hier Station in Jerichow. Dieser Ort ist einfach einmalig.» Im Gehen sagt er zu Schmidt: «Bis zum nächsten Jahr.» Zum Gebet kann die pensionierte Pfarrerin ihn nicht mehr einladen, er hat es eilig.
Karl Steller kommt aber dazu. Er ist in diesem Sommer der zweite Pfarrer der Zehntgemeinschaft in Jerichow, der den Präsenzdienst absolviert. Er stammt aus Witten im Ruhrgebiet und hatte vor vier Jahren in der Kirchenzeitung über die Zehntgemeinschaft gelesen. Er wollte dabei sein, «raus aus der Tretmühle seines Rentnerdaseins», wie er sagt. Von seiner Unterstützung als «Aushilfspfarrer» in Thüringen berichtet er immer noch gern: «Ich war immer sehr gerührt, wie die Gemeinden ihre Dorfkirchlein instand gehalten haben.»
Der 75-Jährige arbeitete lange als Gefängnisseelsorger, eine Zeit, die er rückblickend als großen Gewinn für sich betrachtet. Als Mitglied der Zehntgemeinschaft freut sich der Rentner aber nun, wieder Pfarrer zu sein. Er sitzt im Kirchenraum und blickt Richtung Altar, kurz denkt er über seine Tätigkeit in Jerichow nach, dann sagt er: «Es weitet meine Seele. Und das habe ich mir gewünscht.»
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