"Wie kann Gott so etwas zulassen?"
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Bremen (epd). Nach dem Anschlag von Nizza zweifeln erneut viele Menschen an ihrem Glauben und fragen sich, wie Gott so etwas zulassen konnte. Die Frage sei völlig richtig und gehöre auch für ihn zum Glauben dazu, sagte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch der leitende Bremer Theologe warnt auch: Die Frage darf nicht dazu führen, die eigene Verantwortung für Frieden und Zusammenleben zu übersehen.
epd: Herr Brahms, nach dem Terroranschlag in Nizza fragen sich erneut viele Menschen: Wie kann Gott so etwas zulassen?
Renke Brahms: Wenn ich an die Opfer und die Angehörigen denke, treibt mich die Frage auch um. Sie gehört für mich zum Glauben dazu. Ja, sie ist ausdrücklich erlaubt, wenn ich mir beispielsweise die Psalmen in der Bibel anschaue mit ihren Fragen und Zweifeln, mit Klage und Anklage Gottes. Und ich greife in solchen Situationen zu diesen Texten. Auf der anderen Seite dürfen wir Gott die Schuld nicht in die Schuhe schieben. Wir selbst sind es ja, die in unserem Zusammenleben verantwortlich sind für unser Handeln und eben auch für Konflikte, für Leid oder Tod. Und wir müssen uns fragen, ob wir alles tun, um gerade solche Katastrophen wie in Nizza zu verhindern.
epd: Fragen Sie sich nicht dennoch, warum Gott nicht eingreift und solchem Leid ein Ende setzt?
Renke Brahms: Das ist nicht mein Gottesbild. Oder anders gesagt: Gott hat uns eine große Freiheit geschenkt, in der wir unser Leben und unsere Welt gestalten können. Wir sind ja keine Marionetten Gottes. Und wir genießen unsere Freiheit ja auch und würden uns beschweren, wenn ein Gott eingreifen würde. Wenn er es tut, dann eben leiser, sanfter. Er will uns gewinnen, dass wir Verantwortung übernehmen. Und wir könnten viel Leid verhindern.
epd: Was können wir tun? Viele Menschen haben Angst und trauen sich nicht mehr, zu großen Veranstaltungen zu gehen.
Renke Brahms: Ich kann die Ängste verstehen und frage mich gelegentlich auch, ob das Risiko für mich zu groß ist. Dann aber sage ich mir: Das genau wollen doch die Terroristen. Ich will ihnen nicht recht geben. Ich will mich in meinem Leben und in der Freiheit nicht einschränken lassen. Jedes Jahr sterben Tausende im Straßenverkehr und ich setze mich trotzdem ins Auto oder gehe über die Straße. Ich kann viel dazu beitragen, dass die Welt sicherer wird, aber vollkommene Sicherheit gibt es nicht. Und ich halte mich an die Worte, die in der Bibel oft vorkommen: Fürchte dich nicht. Wir müssen uns das gelegentlich sagen lassen - von Gott oder wenn wir einander beistehen. Und es gilt ja auch: Jeder Mensch ist gefragt, wenn es darauf ankommt, jeglichem Hass Respekt entgegenzusetzen - Respekt zwischen den Religionen, in der Familie oder auch im Internet.
Bild: epd-bild/Norbert Neetz