„Religionspolitik schützt jüdisches Leben“
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Vier Vertreter der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften diskutierten mit der Sozialethikerin und katholischen Theologin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“, die die Bedeutung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit unterstrich. „Sie ist das normative Fundament einer staatlichen Religionspolitik. Sie lässt sich allerdings nicht allein rechtlich erreichen, wir können dabei nicht nur auf das Religionsverfassungsrecht setzen.“ Vielmehr seien die Religionsgemeinschaften auch selbst in der Verantwortung für das Gut der religiösen Freiheit.
Vertreter des Judentums in Deutschland erwarten vom Staat eine Religionspolitik, die ihre jahrtausendealten Traditionen schützt. „Religionspolitik ist für uns ein Schutz, durch den wir hierzulande seit Jahrzehnten sicher unseren Glauben leben können“, sagte Rabbiner Avichai Apel, Vorstandsvorsitzender der Orthodoxen Rabbinerkonferenz, am Dienstagabend in Münster. „Wir erwarten, dass wir unsere religiösen Sitten und Bräuche in Ruhe und ohne Einmischung pflegen können.“
Rabbiner Apel fügte an, Juden lebten schon seit 1.000 Jahren in Deutschland, doch erst seit 50 Jahren führten Kirchen und Judentum einen Dialog auf Augenhöhe. „Das hat zu einem guten Verhältnis und gegenseitiger Unterstützung geführt, wie auch die kirchlichen Stimmen in der Beschneidungsdebatte gezeigt haben.“ Ohne die Unterstützung des Staates für die jüdischen Gemeinden könnten diese heute nicht bestehen, so Apel. Mittlerweile lebten wieder rund 120.000 Juden in Deutschland in mehr als 110 lebendigen Gemeinden.
Auch der Leiter der Abteilung für externe Angelegenheiten der muslimischen Gemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, Dr. Mohammad Dawood Majoka, würdigte, dass das Religionsverfassungsrecht die Traditionen von Religionsgemeinschaften schütze. Dass die Ahmadiyya-Gemeinde in Hamburg und Hessen den Körperschaftsstatus erlangt habe, beweise, dass dies muslimischen Gemeinschaften generell möglich sei. Das gelte aber nur dann, hob Majoka hervor, „wenn sie wie die Ahmadiyya eine rein religiöse Gemeinschaft sind und nach religiösem Bekenntnis organisiert“. Majoka kritisierte zugleich die anhaltende Forderung nach einem gemeinsamen Ansprechpartner aller Muslime für den Staat. „Im Christentum gibt es mit den verschiedenen Kirchen auch mehrere Ansprechpartner.“
Die Präsidentin des Landeskirchenamtes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Dr. Stephanie Springer, betonte, das Religionsverfassungsrecht gelte für alle Religionen und solle ihre freie Entfaltung ermöglichen. „Es erfüllt die Anforderungen einer religiös vielfältigen Gesellschaft.“ Die Begriffsverschiebung vom „Staatskirchenrecht“ zum „Religionsverfassungsrecht“ zeige diesen Wandel, von dem auch andere Religionen als Christentum und Judentum profitieren könnten. So stehe der Körperschaftsstatus allen Religionsgemeinschaften offen, die die säkular begründeten mitgliedschaftsrechtlichen Voraussetzungen schafften und die fundamentalen Verfassungswerte einhielten. Historisch betrachtet, habe die Einbettung der christlichen Kirchen in demokratische Prozesse positiv auf sie zurückgewirkt und sie zur Anerkennung von Werten wie Demokratie, Geschlechtergleichheit und Pluralität gebracht. „Das Religionsverfassungsrecht bietet auch anderen Religionsgemeinschaften diese Chance, sich in Richtung Liberalisierung zu öffnen.“
Michael Bauer vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) warb für ein Umdenken in der Religionspolitik. „Nicht-gläubigen Menschen sollten dieselben Möglichkeiten wie religiösen Menschen zukommen.“ So sollten auch nicht-religiöse Menschen das Recht haben, „dass ihre Kinder ihre Weltanschauung und Tradition in der Schule fundiert erlernen können“. Daher solle in Deutschland flächendeckend das Schulfach „Humanistische Lebenskunde“ gleichwertig zum konfessionellen Religionsunterricht eingeführt werden, wie es dies in Berlin und Brandenburg bereits gebe.
Kommenden Dienstag, 12. Juli, spricht Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hinnerk Wißmann zum Thema „Freiheit braucht Form!? Organisationsvorgaben als Herausforderung des Religionsverfassungsrechts“. Die Religionswissenschaftlerin PD Dr. Astrid Reuter vom CRM kommentiert die Ausführungen.
Exzellenzcluster Münster „Religion und Politik“