Startseite Archiv Nachricht vom 14. April 2016

"Auch die Freiheit der Kunst hat ihre Grenzen"

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Hannover (epd). Der Kulturbeauftragte in der hannoverschen Landeskirche, Matthias Surall, hat in der Diskussion um das Schmähgedicht von Jan Böhmermann auf Grenzen hingewiesen, die auch in der Kunst gelten müssten. Sie zu überschreiten, sei "auch in einem rechtsstaatlichen Rahmen und unter der Überschrift der Freiheit schwierig bis übergriffig und respektlos", sagte der leitende Referent für Kunst und Kultur im Haus kirchlicher Dienste der evangelischen Landeskirche im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst in Hannover. Diese Grenze habe auch nichts mehr mit Geschmacksfragen zu tun.

"Sie verläuft dort, wo es um Würde und Respekt auf der einen Seite und Schmähung im Sinne von Beleidigung und Verunglimpfung bis hin zur Diskriminierung auf der anderen Seite geht", sagte der Pastor: "Wenn die Würde des Menschen prinzipiell unantastbar ist, was in unserer deutschen Verfassung Gott sei Dank festgehalten wird, dann gilt dies sogar für Menschen, deren spezifisches Verständnis von Demokratie und Freiheit - auch und gerade im Hinblick auf Kunst und Religion - vorsichtig formuliert, fragwürdig ist." Dies sei besonders aus christlicher Sicht, deutlich zu unterstreichen.

An der derzeitigen aufgeheizten Diskussion sei problematisch, dass sich die Ebenen überschnitten und mischten. Zum einen gehe es um eine Definition von Meinungs- und Kunstfreiheit, gleichzeitig aber auch um eine politische Diskussion. Inzwischen sei noch die juristische Ebene hinzugekommen, sagte der promovierte Theologe: "Von der Geschmacksfrage mal ganz abgesehen, über die zu streiten müßig ist."

Surall sagte, als Vertreter der evangelischen Kirche, der an der Schnittstelle von Kirche und Kunst arbeite, wünsche er sich, dass der Fall Böhmermann gerade nicht juristisch verhandelt würde. Vielmehr sei eine differenzierte Diskussion in der Gesellschaft vonnöten. Dazu gehöre auf der einen Seite die Verhältnisbestimmung von Freiheit und Verantwortung der Satire als Kunstform.

Gleichzeitig müsse darüber gesprochen werden, wie in einem Rechtsstaat die Güterabwägung zwischen der Freiheit der Kunst, dem juristisch relevanten Tatbestand der Beleidigung und der stets zu wahrenden Würde des Einzelnen hinzubekommen sei: "Und zwar, ohne die Gerichte zu beschäftigen", betonte Surall. Außerdem sei zu fragen, "wie die Gesellschaft jenseits von Medienhype und Sensationsgier dazu beitragen kann, dass weder die Freiheit der Kunst auf dem Altar der Realpolitik geopfert noch die Würde eines Menschen zum Opfer von übermotivierter und überzogener Provokation wird".

Im Übrigen sei der sogenannte Fall Böhmermann seiner Ansicht nach auch und besonders ein "Fall Erdogan", sagte Surall. Bei dieser Angelegenheit spiele die Art des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, mit Kritik umzugehen mindestens genauso eine Rolle wie das Vorgehen Böhmermanns, Grenzen auszutesten.

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Dr. Matthias Surall, Bild: privat