Startseite Archiv Nachricht vom 14. Februar 2016

Inklusion in dörflicher Ruhe

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Hildesheim/Sorsum. Die Diakonie Himmelsthür hat in Sorsum mit dem Bau eines neuen Projektes mit Wohnangebot und Tagesförderstätte begonnen. In Niedersachsen ist es bisher einzigartig und soll Modellcharakter haben. Das Angebot richtet sich an eine besondere Zielgruppe: Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen.

Diese Menschen seien durch einen Schicksalsschlag aus ihrem gewohnten Leben gerissen worden, erläutert Projektleiter Oliver Opitz. Sie hatten einmal einen Beruf, Familie, Freunde, ein selbstständiges Leben – bis ein Unfall, eine Erkrankung oder ein Schlaganfall alles änderte.

Erreichten sie nach der Rehabilitation nicht die notwendige Selbstständigkeit für ein Leben allein oder in der Familie, waren sie bisher auf Wohnplätze in Pflegeheimen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung angewiesen. Dort waren sie aber mit ihrem besonderen Hintergrund und den daraus resultierenden speziellen Assistenzbedarfen nicht immer gut aufgehoben.

Auch ihre Angehörigen konnten sich oft nicht mit dem neuen Wohnumfeld ihrer Verwandten abfinden. Ohnehin hielten die Familien der Belastung durch einen solchen Schicksalsschlag nicht immer stand, gerieten die Betroffenen in Isolation.

Das neue Angebot soll die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppe berücksichtigen. Weil es so neuartig ist, wird die Diakonie Himmelsthür ihre Erfahrungen wissenschaftlich begleiten lassen. „Über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren sollen Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieses Ansatzes zur Verbesserung der Teilhabe für diesen besonderen Personenkreis gesammelt und ausgewertet werden“, sagt der stellvertretende Regionalgeschäftsführer Carsten Wirges.

Neben dem Klostergut Sorsum, am Rande des Dorfes, entsteht auf einem 3200 Quadratmeter großen Gelände ein barrierefreies Apartmenthaus für 20 Personen, die dort in Ein-Zimmer-Wohnungen mit Pantry-Küche und Duschbad leben werden. Die Bewohner und Bewohnerinnen können sich in ihren Privatbereich zurückziehen, erhalten aber auf Wunsch die Assistenz, die sie benötigen. Mitarbeitende der Diakonie Himmelsthür werden rund um die Uhr anwesend sein. Die Apartments sind geräumig genug, um auch Besuch von der Familie zu empfangen.

Gleich nebenan baut die Diakonie Himmelsthür eine Tagesförderstätte. Bei den Arbeitsangeboten in der so genannten Hofscheune gehe es vor allem darum, die Fähigkeiten der Menschen wieder zu wecken und Verlorenes zurückzuholen, erklärt Beate Gronau, Projektleiterin der Tagesförderstätte. Es soll einen Schulungsraum geben, in dem an früheres Können im Büro und am Computer angeknüpft wird. Hinzu kommen Tätigkeiten, die mit der landwirtschaftlichen Bio-Produktion des benachbarten Klostergutes in Verbindung stehen, Verarbeitung von Kräutern und Verfeinerung von Speiseölen zum Beispiel.

„Es handelt sich um unser erstes inklusives Wohnangebot im Raum Hildesheim, das ein Leben im ländlichen Kontext architektonisch so konsequent umsetzt“, sagt Oliver Opitz. „Viele Menschen lieben ja das ruhige Leben auf dem Land.“ Die Bauweise der Häuser passt sich der dörflichen Umgebung an: Das Apartmenthaus bekommt eine Ziegelstein-Fassade und ein begrüntes Flachdach. Das eingeschossige Gebäude der Tagesförderstätte soll mit seiner Holzfassade an eine Hofscheune erinnern

„Die Grünflächen um das Haus werden gemeinsam mit den späteren Bewohnern gestaltet“, erklärt Oliver Opitz. Wohnhaus und Tagesförderstätte sollen auch Teil der Dorfgemeinschaft werden. Im Erdgeschoss des Apartmenthauses wird es eine Begegnungsstätte geben, die Bauerndiele, wo Menschen bei kulturellen Veranstaltungen, Vorträgen oder Bastelabenden zusammen kommen können. Bei Ortsbürgermeisterin Erika Hanenkamp und dem Ortsrat sei das Vorhaben gut angekommen, so Opitz.

Das ganze Projekt werde 2,6 Millionen Euro kosten, erklärt die Leiterin des Projektbüros, Dietlinde Richter. Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie fördere das Angebot mit einer Million Euro. Weitere 360.000 Euro gibt die Aktion Mensch dazu, 374.000 Euro kommen vom Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V.. „Wenn alles glatt läuft, kann das Haus im Spätsommer 2017 bezogen werden“, meint Dietlinde Richter. „Wir freuen uns drauf. Das wird ein ganz tolles Projekt.“

Kultur und Kommunikation, Hildesheim
Projektleitung Wirges Richter Opitz Gronau

Im Spätsommer 2017 könnten die ersten Bewohner und Bewohnerinnen in das neue Apartmenthaus einziehen. Carsten Wirges und Dietlinde Richter (stehend) sowie Oliver Opitz, und Beate Gronau freuen sich darauf. Bild: Barth