Startseite Archiv Nachricht vom 31. Januar 2016

Luthers „Feste Burg“ hat für Jugendliche auch heute Aktualität

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Hannover. Dam-dam dam-dam dadam-dadadam. Der Rhythmus geht den Jugendlichen vermutlich den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf: Eineinhalb Stunden lang beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums mit dem Luther-Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Sie stampfen, schlagen und klatschen den Rhythmus, lassen Gläser klingen, diskutieren den Text und bringen das Ganze schließlich zu einer ungewöhnlichen Aufführung auf der Orgelempore der Markus-Kulturkirche – ohne Publikum allerdings, nur für den Spaß an der Sache.

Die rund 50 Mädchen und Jungen aus den Jahrgängen zehn und zwölf der Schule nehmen an einem Workshop teil, den Studierende der Kirchenmusik von der HMTM (Hochschule für Musik, Theater und Medien) Hannover ein Semester lang erarbeitet haben. Dabei wirken Erstsemester und Masterstudierende zusammen. Das Seminar „Jugendlichen Kirchenmusik vermitteln“, geleitet von Ulf Pankoke und Silke Lindenschmidt, ist wiederum Teil des Projektes VISION KIRCHENMUSIK der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover. Ziel ist es, mehr Menschen und neue Zielgruppen für Kirchenmusik zu begeistern. In diesem Fall geht es darum, spätere Multiplikatoren fit zu machen für die Aufgabe, Jugendliche und Kirchenmusik zusammen zu bringen.

Eine ungewohnte Begegnung für die meisten. „Ein feste Burg“, eines der bekanntesten Lieder für die deutschen evangelischen Christen überhaupt, kennt von den Jugendlichen gerade noch einer. Doch eine lohnenswerte Begegnung, finden zumindest Julia Maeding, 17 Jahre, und Ailar Sotoudi, 15 Jahre, nach der Veranstaltung. „Die Abwechslung hat Spaß gemacht“, loben sie das Konzept: Jeweils für 20 Minuten arbeiten die Jugendlichen an drei Stationen an unterschiedlichen Aspekten des Liedes.

Hat der 1529 erstmals veröffentlichte Text den jungen Menschen heute noch etwas zu sagen? „Auf jeden Fall“, finden die Mädchen. Angst, Not, Hoffnung, die Suche nach Sicherheit, all das seien doch hochaktuelle Begriffe. „Man muss sich nur erst mal damit befassen.“

Dafür sind neue Formate nötig, muss sich die Kirchenmusik aus den Kirchenbauten hinausbewegen ebenso wie aus der vertrauten Umgebung von Gottesdienst oder abendfüllendem Kirchenkonzert, weiß Silke Lindenschmidt. Die Mühe lohne sich: Zwar sei Kirchenmusik untrennbar verbunden mit Glauben und Religion, dabei aber auch ein Kulturgut von eigenständigem Wert.
„Wir wollen Musik und Menschen füreinander öffnen“, sagt Silke Lindenschmidt. Dafür gebe es eine Menge guter Ideen. Genau wie der jetzt entwickelte Workshop für Schülerinnen und Schüler, sollen die Projekte alle in den nächsten Monaten in einer Datenbank erfasst und den Kirchenmusikern überall im Land als Fundus zur Verfügung gestellt werden.

Isabelle Grupe, im ersten Semester ihres Kirchenmusik-Studiums und eine der Seminarteilnehmerinnen, ist selbst von einer Kantorin für Kirchenmusik und Orgelspiel begeistert worden. Durch ein Orgelstipendium des Sprengels Hildesheim-Göttingen erhielt sie eine Förderung von 500 Euro, um Instrumentalunterricht und Noten zu finanzieren und ihre kirchenmusikalische D-Prüfung abzulegen. Seit mehr als zehn Jahren fördert der Sprengel auf diese Art den Nachwuchs, damit die Orgeln in den Kirchen nicht irgendwann zu stummen Museumsstücken werden.

Heute strebt Isabelle Grupe selbst den Beruf der Kantorin an. Ihre Begeisterung für das Orgelspiel sei allerdings vielen ihrer Freundinnen und Freunde unverständlich, weiß die 20-Jährige. Die meisten in ihrem Alter hätten überhaupt keine oder eine völlig falsche Vorstellung davon, was Kirchenmusiker tun. „Sie haben keinen Bezug dazu in ihrer Lebenswelt“, meint die Studentin. Und ergänzt selbstbewusst: „Das ändern wir hier gerade.“

Kultur und Kommunikation, Hildesheim für VISION KIRCHENMUSIK
Gläserklingen 2

„Jetzt kommt das Coolste“, hat Isabelle Grupe angekündigt. Und tatsächlich haben die Jugendlichen Spaß daran, die Gläser zum Klingen zu bringen und so einen akustischen Hintergrund für die Melodie des Kirchenliedes zu schaffen.Bild: Barth