Eine der schönsten Orgeln wird 50
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Hildesheim. Bernhard Römer hat sich in eine Königin verliebt. 4734 Pfeifen hat sie, die größte davon elf Meter lang, 63 Register. Als Römer sich auf die Stelle des Kantors und Organisten an St. Andreas bewarb, war die von-Beckerath-Orgel einer der Hauptgründe für den Wechsel nach Hildesheim. Das ist 26 Jahre her, doch heute leuchten seine Augen wie damals, wenn er über „seine“ Orgel spricht: „Das ist etwas, das mich nach wie vor erfüllt. Dieses Instrument hat mich noch in keiner Minute gelangweilt.“ Ende Januar wird die Geliebte 50 Jahre alt. „Eine Königin feiert Geburtstag“ lautet das Motto eines klangprächtigen Wochenendes.
1965 wurde die wieder aufgebaute St.-Andreas-Kirche eingeweiht, da war erst ein kleiner Teil der Orgel fertiggestellt. Doch die Planungen liefen schon seit 1962, und so stellt Bernhard Römer fest: „Fast könnte man denken, die Kirche sei um die Orgel gebaut, nicht umgekehrt.“ Reinhold Brunnert, Römers Vorgänger als Andreas-Organist, habe sich damals ein Instrument gewünscht, auf dem Werke aller Stilepochen gut spielbar wären. Dieses Ziel habe die Hamburger Orgelwerkstatt Rudolf von Beckeraths beispielhaft umgesetzt. „Es ist für mich eine der schönsten Orgeln, die ich kenne“, sagt Bernhard Römer – und er kennt er Vielzahl von Orgeln auf der ganzen Welt.
Ein Indiz für die außergewöhnliche Qualität, die von Beckerath in den 60er Jahren geliefert hat, sieht Römer darin, dass die Orgel in den 50 Jahren nie klanglich verändert wurde oder umfassend repariert werden musste. Intonation und Mechanik seien immer noch hervorragend – was für moderne Orgeln nach einem halben Jahrhundert alles andere als selbstverständlich sei. 280.000 Mark hat das Instrument damals gekostet, heute ist es wohl mindestens zwei Millionen Euro wert, schätzt der Kantor.
Die baulichen Feinheiten kennen die wenigsten BesucherInnen, den außergewöhnlichen Klang aber sehr wohl. „Die Orgel zeichnet ein gewisser Stolz aus“, sagt Römer, „am liebsten ist sie für sich allein.“ Im Zusammenwirken mit SolistInnen, Chor oder Orchester müsse er als Organist sehr behutsam spielen, um die anderen mit dem mächtigen Orgelklang nicht zu überdecken.
Mit seiner Begeisterung steht Römer nicht alleine da. Immer wieder suchen sich Organistinnen und Organisten St. Andreas aus, um hier Rundfunk- oder CD-Aufnahmen einzuspielen. Für den Mai hat sich Bert den Hertog aus den Niederlanden angekündigt, er will Bach-Werke aufzunehmen.
Das Geburtstagswochenende vom 29. bis 31. Januar bietet die Gelegenheit, die Königin in all ihren Facetten kennen zu lernen. Am Freitag wird zunächst eine Ausstellung im Stadtmuseum eröffnet, die die 600-jährige Geschichte der Andreas-Orgeln lebendig werden lässt. „Dort ist sogar eine Orgelwerkstatt inszeniert“, freut sich Bernhard Römer. Am Samstag gibt es ab 15 Uhr Orgelführungen für Kinder und Erwachsene. Dabei wird das imposante Instrument auch von innen zu erleben sein.
Ein Festgottesdienst mit Landesbischof i.R. Horst Hirschler und dem belgischen Organisten Ignace Michiels eröffnet den Sonntag. Abends folgt das Festkonzert mit Bernhard Römer an der Orgel sowie dem Folkwang Kammerorchester Essen unter der Leitung von Gottfried von der Goltz. Sie spielen Orgelwerke von Poulenc und Hoyer sowie Sinfonien von Mendelssohn Bartholdy und Carl Philipp Emanuel Bach. Da die Orgelwerkstatt von-Beckerath, die Firma Stammelbach, Beate und Uwe Schiedeck sowie Dr. Bruno Gerstenberg als Sponsoren die Kosten tragen, ist der Eintritt zu allen Veranstaltungen frei. Daher können alle Spenden und Kollekten für die notwendige Reinigung der königlichen Gemächer verwendet werden, in deren vier Etagen sich nach 26 Jahren doch einiger Staub angesammelt hat.
Kultur und Kommunikation, HildesheimDie Innenperspektive: Das Hauptwerk der Beckerath-Orgel in der Hildesheimer St.-Andreas-Kirche. Bild: Neite