Startseite Archiv Nachricht vom 18. November 2015

„Die zehn Gebote gelten auch für uns“

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Hildesheim. Emin Tuncay weist auf die Gebetsecke in der Moschee am Bischofskamp. „Ich decke hier zwei Gebetsrichtungen ab“, sagt er mit einem leichten Schmunzeln. Alle Moscheen habe eine Gebetsecke, immer ist sie nach Mekka ausgerichtet. Von Hildesheim aus gesehen liegt Jerusalem freilich in der selben oder zumindest in der gleichen Richtung. Und was viele nicht wissen: Ursprünglich richteten die Moslems ihre Gebete genau dorthin – nach Jerusalem.

Die evangelische Kirchenkreiskonferenz Hildesheimer Land-Alfeld ist an diesem Vormittag zu Besuch in der Türkisch-Islamischen Gemeinde Hildesheim. Emin Tuncay, Dialogbeauftragter der Gemeinde, zeigt den PastorInnen und DiakonInnen die Moschee, gibt eine kurze Einführung in den Islam und betont die Gemeinsamkeiten mit dem Christentum. Die führen weit über den Bezug zu Jerusalem hinaus.

Tuncay zitiert den Koran: „Es gibt nur einen Gott“, heiße es da, „und vor diesem Gott sind alle gleich“. Schon die erste Sure des Korans weise darauf hin, dass es in der Religion keinen Zwang geben dürfe, auch sei Gewaltlosigkeit eines der Grundprinzipien des Islam. „Ich habe meine Religion besser erfahren können, nachdem ich mich mit dem Christentum und dem Judentum beschäftigt habe“, sagt Emin Tuncay. Die Überschneidungen begännen schon bei den zehn Geboten: „Die gelten ja auch für uns“, so Tuncay.

„Das, was Sie uns erzählt haben, klingt gut, aber es kommt in der Wirklichkeit nicht vor“, entgegnet ein skeptischer Pastor. Emin Tuncay entgegnet mit Blick auf die Predigttreppe, die neben der Gebetsnische das zweite Hauptmerkmal einer Moschee ist: „Leider wird diese Kanzel auch benutzt, um Menschen aufzustacheln. Aber ich habe über den Islam gesprochen und nicht über die Muslime.“ Dass Menschen im angeblichen Namen Gottes manipuliert würden, sei durch den Koran keinesfalls abgedeckt, im Gegenteil: „Wir lassen es nicht gelten, wenn man Andersgläubige schlecht behandelt.“

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit herrsche leider oft eine Kluft – dieses Dilemma kenne das Christentum durchaus auch, gesteht Superintendent Christian Castel ein: „Wenn alles so wäre, wie wir es predigen, wäre diese Welt eine bessere.“ Allein die Tatsache, dass die Kirchenkreiskonferenz die Moschee besucht hat, wertet er als wichtiges Signal. Castel: „Für ein friedliches Zusammenleben ist es wichtig, über alles Trennende hinweg immer wieder Brücken der Begegnung und der Verständigung zu bauen.“ Ein stärkeres Miteinander, so die Anregung aus der evangelischen Runde, könne nicht zuletzt bei der Aufnahme und der Unterstützung von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten nützlich sein. Die muslimische Gemeinde habe hier schon erste Schritte unternommen, berichtet Emin Tuncay.

Kultur und Kommunikation, Hildesheim
kirchenkreiskonferenz moschee.besuch 18.11.15

Emin Tuncay (rechts) begrüßte Superintendent Christian Castel und die PastorInnen und DiakonInnen des Kirchenkreises Hildesheimer Land-Alfeld in der Moschee am Bischofskamp. Bild: Neite