Weichenstellungen an der Weser - Synode der Protestanten fällt zwei Jahre vor dem 500. Reformationsjubiläum Personalentscheidungen
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Von Wiebke Rannenberg und Karsten Frerichs (epd
Amtsinhaber Heinrich Bedford-Strohm gilt als Favorit für die Wahl zum Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wird er als oberster Repräsentant der deutschen Protestanten bestätigt, warten große Aufgaben auf den 55-Jährigen.
Bremen (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nimmt das 500. Reformationsjubiläum fest in den Blick: Ab dem 8. November berät die Synode in Bremen, wie in zwei Jahren ein "Christlicher Glaube in offener Gesellschaft" sichtbar werden soll. Mehr Aufmerksamkeit als die organisatorischen und inhaltlichen Vorbereitungen auf das Jubiläum dürfte aber eine Wahlentscheidung des Kirchenparlaments bekommen: Wer repräsentiert 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers (1483-1546) als Ratsvorsitzender die deutschen Protestanten?
Beste Chancen, im Jahr 2017 die Gäste aus aller Welt in Deutschland zu begrüßen, hat der bisherige Ratschef Heinrich Bedford-Strohm. Der 55-jährige bayerische Landesbischof war erst vor einem Jahr an die Spitze gerückt, weil sein Vorgänger Nikolaus Schneider das Amt wegen einer schweren Erkrankung seiner Frau vorzeitig niedergelegt hatte. Der Rheinländer war 2010 eingesprungen, nachdem die populäre hannoversche Bischöfin Margot Käßmann wenige Monate nach ihrer Wahl wegen einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss von allen kirchlichen Leitungsämtern zurückgetreten war.
Der rhetorisch versierte Bedford-Strohm repräsentierte die EKD in den vergangenen zwölf Monaten souverän. Früher als andere warnte er angesichts der weltweiten Flüchtlingsströme vor einer humanitären Katastrophe. Der lutherische Theologe warb nicht nur für Menschlichkeit in Deutschland und Solidarität in Europa, sondern richtete den Fokus auch auf die Herkunftsländer.
Nach einer mehrtägigen Irak-Reise vor rund einem Jahr forderte er vehement die Einrichtung einer UN-Schutzzone für die verfolgten Christen und Jesiden. Seine Position, dass die IS-Terrormilizen notfalls mit militärischer Gewalt gestoppt werden müssen, war für die Anhänger eines unbedingten Pazifismus innerhalb der EKD schwer zu ertragen. Geschadet hat das Bedford-Strohms Ansehen nicht.
Das Spektrum kirchlicher Positionen dürfte auch in der Predigt im Eröffnungsgottesdienst zur Synode deutlich werden. Renke Brahms, leitender Geistlicher der gastgebenden Bremischen Landeskirche und zugleich EKD-Friedensbeauftragter, will über gewaltfreie Konfliktlösung, Hass und Liebe sprechen. Auch darüber hinaus wird die Flüchtlingskrise während der viertägigen Beratungen Thema unter den 120 Synodalen bleiben. Einige Landeskirchen haben in den vergangenen Wochen mehrere Millionen Euro für kurzfristige Hilfe und langfristige Projekte reserviert.
Neben Bedford-Strohm bewerben sich 22 weitere Kandidaten für die 14 zu vergebenden Sitze im Rat der EKD, dem einer Regierung vergleichbaren Leitungsgremium, das für sechs Jahre gewählt wird. Unter den Bewerbern sind viele Neulinge, Konservative und Fortschrittliche, Alte und Junge, Theologen und Laien - alle mit Studium. Ehrenamtlich engagieren wollen sich zum Beispiel der Pharma-Chef Andreas Barner, der Student Ingo Dachwitz, der Evangelikale Michael Diener, die SPD-Politikerin Kerstin Griese, die Museumsdirektorin Katja Lembke und die Theologieprofessorin Elisabeth Gräb-Schmidt.
Seit 2008 wird das 500. Reformationsjubiläum mit steigender Intensität von den Kirchen zusammen mit dem Staat vorbereitet. Auch die Synodalen beschäftigen sich erneut damit, wie die Kirche den Spagat hinbekommt zwischen touristischer Attraktion und theologischer Reflexion, zwischen Feiern und Gedenken.
Dafür wollen sie sich nicht nur einen Überblick verschaffen über Oratorien, Luther-Wander-Wege, den Reformationssommer 2017 und Devotionalien wie einen Luther-Einkaufswagenchip. Sie werden diskutieren über "die Bedeutung reformatorischer Einsichten für die Gestaltung unserer offenen Gesellschaft", wie Präses Irmgard Schwaetzer als Vorsitzende der Synode ankündigt.
Doch bei aller Reformations-Feierlaune: Spätestens nach 2017 werden sich die Kirchenvertreter wohl wieder damit beschäftigen, wen sie eigentlich repräsentieren. Denn die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft stärker als zuvor. Ende des Jahres 2014 waren es rund 22,5 Millionen, 410.000 weniger als im Vorjahr.
Genaue Zahlen will die EKD erst nach der Synode veröffentlichen. Meldungen aus den Landeskirchen zeigen aber steigende Austrittszahlen: Die größte Landeskirche, Hannover, verzeichnete 2014 rund 40 Prozent mehr Austritte als im Jahr zuvor.
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Fünf Niedersachsen kandidieren für den neuen Rat der EKD
Bremen/Hannover (epd). Die Wahl der neuen Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht im Mittelpunkt der Synodentagung vom 8. bis 11. November in Bremen. Für die 14 Sitze im Rat der EKD gibt es 23 Kandidaten - fünf von ihnen stammen aus Niedersachsen. Nachfolgend dokumentiert epd die Kandidatenliste mit biografischen Angaben:
Andreas Barner (Jg. 1953), Ingelheim, Mediziner und Mathematiker, Vorsitzender der Unternehmensleitung des Pharmaherstellers Boehringer Ingelheim. Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2015 in Stuttgart.
Heinrich Bedford-Strohm (Jg. 1960), München, Theologieprofessor, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, seit November 2013 Ratsmitglied, seit November 2014 Ratsvorsitzender.
Claudia Brinkmann-Weiß (Jg. 1957), Hanau, Theologin, Gemeindepfarrerin und Pfarrerin für Erwachsenenbildung, seit 2002 Dekanin des Kirchenkreises Hanau.
Ingo Dachwitz (Jg. 1987), Berlin, Student, Masterstudiengang Medien und Politische Kommunikation, bis 2014 Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend, ehemaliger Vorsitzender der Evangelischen Jugend Oldenburg.
Michael Diener (Jg. 1962), Kassel, bis 2009 Dekan des pfälzischen Kirchenbezirks Pirmasens, Präses des pietistisch geprägten Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, seit 2012 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz.
Tabea Dölker (Jg. 1958), Holzgerlingen, staatlich anerkannte Erzieherin in Kindergarten und Kindertagesstätte, Tagesmutter, Ratsmitglied seit 2009.
Markus Dröge (Jg. 1954), Berlin, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Ratsmitglied seit November 2014, Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung.
Kirsten Fehrs (Jg. 1961), Hamburg, Theologin, Bischöfin des Sprengels Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
Elisabeth Gräb-Schmidt (Jg. 1956), Tübingen, Professorin für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Ratsmitglied seit November 2013.
Kerstin Griese (Jg. 1966), Ratingen, Bundestagsabgeordnete, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales. Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD.
Jacob Joussen (Jg. 1971), Düsseldorf, Professor für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Ruhr-Universität Bochum.
Volker Jung (Jg. 1960), Darmstadt, Theologe, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Dieter Kaufmann (Jg. 1955), Stuttgart, Oberkirchenrat, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Württemberg.
Joachim Kunstmann (Jg.1961), Baindt, evangelischer Theologe, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten (Württemberg).
Annette Kurschus (Jg. 1963), Bielefeld, Theologin, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Katja Lembke (Jg. 1965), Hildesheim, Archäologin, Direktorin des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover.
Johann Michael Möller (Jg. 1955), Berlin, Journalist, Hörfunkdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks MDR, Vorstandsmitglied der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler (KiBa).
Alexander-Kenneth Nagel (Jg. 1978), Göttingen, Professor für Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt sozialwissenschaftliche Religionsforschung.
Norbert Nordholt (Jg. 1954), Schüttorf/Kr. Grafschaft Bentheim, Jurist, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Münster, Präses der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche.
Thomas Rachel (Jg. 1962), Düren, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bundestagsabgeordneter, Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU.
Stephanie Springer (Jg. 1967), Celle, Juristin und ehemalige Richterin, Präsidentin des Landeskirchenamtes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Marlehn Thieme (Jg. 1957), Bad Soden, ehemalige Direktorin der Deutschen Bank AG, EKD-Ratsmitglied seit 2003, Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer, Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.
Gesine Weinmiller (Jg. 1963), Berlin, Architektin, Professorin an der Hochschule für bildende Künste (HafenCity Universität) Hamburg, Ratsmitglied seit 2009, Kuratorin der Berliner Stiftung St. Matthäus.