Landesbischof: Kirche muss auf selbstbewusste "neue Alte" reagieren
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Hannover (epd). Die Kirche steht mit ihren Angeboten für Senioren nach Ansicht des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister vor großen Herausforderungen. Noch vor wenigen Jahren hätten sich viele ältere Menschen vor allem mit dem eigenen Sterben beschäftigt und nach einer entsprechenden Seelsorge verlangt. "Das ist heute völlig weg. Die Leute wollen noch etwas Neues erleben: neue Freiheiten, neue Aufbrüche", sagte der evangelische Theologe bei dem Kongresses "Sechzig Plus Kirche" in Hannover. Auch nach Ansicht des Sozialexperten Professor Gerhard Wegner nimmt die heutige "Generation 60 plus" vorrangig die positiven Aspekte des Alterns wahr und nicht so sehr die Defizite. Zahlreiche Menschen über 60 sähen sich selbst gar nicht als Alte.
Die hannoversche Landeskirche hatte am Freitag erstmals zu einem ganztägigen Forum mit Vorträgen und Workshops zum Thema Altern eingeladen. "Es ist eine Generation, die alles tut, um vom Tod so fern wie möglich zu bleiben", unterstrich Bischof Meister. Bisher sei für die kirchliche Seniorenarbeit vor allem die diakonische Perspektive maßgeblich gewesen: "Die Kirche wendet sich den Alten zu, kümmert sich um sie." Dafür genieße sie auch nach wie vor hohe Anerkennung in dieser Altersgruppe. Dennoch sei es Zeit, gemeinsam mit den Senioren, die oft nicht mehr kirchlich geprägt seien, mutig und innovativ nach neuen spirituellen Wegen zu suchen.
"Junge Alte nehmen das Heft selbst in die Hand", unterstrich Meister. Für die Kirche bedeute dies, Lebenssinn und geistliche Erfahrungen auch zeitgemäß zu vermitteln. Das könne "im Gottesdienst, bei der Pilgertour, beim Klosteraufenthalt oder in Männerkreisen" geschehen.
Theologieprofessor Wegner betonte: "Eigentlich gibt es das Alter nicht mehr." Die Zahl der Lebensjahre sage kaum noch etwas darüber aus, wie aktiv die Menschen seien und wie es ihnen gehe. Die Lebensoptionen für Ältere seien inzwischen genauso vielfältig wie für Jüngere. "Die Lebenszufriedenheit liegt im Schnitt bei acht von insgesamt zehn möglichen Punkten."
Das sei zum Beispiel auch an den zahlreichen Aktivitäten der Älteren abzulesen: "Kreuzfahrten auf See sind fest in den Händen von Senioren." Auch das ehrenamtliche Engagement sei so groß wie in keiner anderen Altersgruppe. Wegner leitet als Direktor das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Ein Wendepunkt liege erst am Ende des achten Lebensjahrzehnts: "Hier setzt das überwiegende Empfinden ein, selbst zu den Alten zu gehören", unterstrich der Professor. Doch selbst bei hochaltrigen Menschen, die über 90 oder sogar 100 Jahre alt seien, ließen sich große Potenziale geistiger und kreativer Art feststellen. Die frühere Vorstellung, dass das Alter mit Krankheit und Tod gleichzusetzen sei, stimme deshalb nicht mehr.
Ganz anders sähe es aber bei denjenigen aus, die ihr Leben in Armut verbracht hätten. Der Statistik zufolge sterben Langzeitarbeitslose zehn Jahre früher als ehemalige Beamte. "Die soziale Ungleichheit führt eben auch zu Problemen im Alter", sagte der evangelische Theologe. Wegner schätzt, dass etwa 20 Prozent der Senioren perspektivisch von Altersarmut bedroht seien. Davon sei der überwiegende Teil weiblich.
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