Freihändig neu gemauert
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Hildesheim. Nach dem Krieg standen nur noch ein paar Außenmauern und, wie ein Skelett, das Stahlgerüst des Turms. Der Rest von Hildesheims stolzer Bürgerkirche: Schutt und Asche. Elf Jahre später begann der Wiederaufbau, 1965 endlich konnte St. Andreas wieder eingeweiht werden – das Ereignis des Jahres, eine Freudenfeier für die ganze Stadt, die ihr Wahrzeichen zurückbekam. Mit einem Festwochenende vom 11. bis 13. September erinnert die Andreas-Gemeinde an diesen besonderen Augenblick vor einem halben Jahrhundert.
„Ich glaube, wir können heute die Bedeutung, die der Wiederaufbau von St. Andreas damals für die Menschen gehabt hat, kaum noch ermessen“, sagt Pastor Detlef Albrecht. Tagelang kannte die Zeitung nur ein Thema, 2000 Menschen sollen beim Wiedereinweihungs-Gottesdienst gewesen sein, obwohl die Kirche mit dem höchsten Turm Niedersachsens „nur“ 1500 Plätze hat. Eine der großen Wunden des Krieges war geheilt, was zugleich als Zeichen der Versöhnung verstanden wurde.
Äußerlich wurde der Zustand von vor dem 22. März 1945 fast wieder hergestellt, innen änderte sich vieles. Auf den barocken Zierrat des Inventars wurde verzichtet, dafür eine aufwändige gotische Decke eingefügt. Burkhard Thamm, 70 Jahre alt, hatte damals „die anspruchsvolle Aufgabe, das Gewölbe mitzumauern“, wie er selbst sagt. „Da ist manches schief geworden, aber das kann man von unten nicht sehen“, verrät Thamm schmunzelnd. „Es wurde alles freihändig gemauert, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“
Aus ganz anderer Perspektive hat Bürgermeister Ekkehard Palandt den Wiederaufbau erlebt. Schon seit seiner Kindheit ist er eng mit der Andreas-Gemeinde verbunden, die von 1948 bis 1965 in der Jakobikirche ihre Gottesdienste feierte. Als Kind half er, Trümmer aus der Andreaskirche zu beseitigen, damit dort, inmitten der Ruinen, ein Theaterstück aufgeführt werden konnte. Bei der Neueinweihung war er 20 Jahre alt und sang in der Andreas-Kantorei mit. Eine Schütz-Motette als 17-stimmiger-Satz, gemeinsam mit zwei Chören aus Hamburg und Österreich gesungen, die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt – „das vergisst man nie“, so Ekkehard Palandt, der heute dem Kirchenvorstand angehört.
„Diese Kirche stand immer für ein bürgerliches Selbstbewusstsein“, sagt Superintendent Helmut Aßmann über St. Andreas. Durch ihre geschichtliche Bedeutung sei sie ein Erbe der ganzen Stadt, nicht nur der Gemeinde – und als spiritueller Ort „unverzichtbarer denn je“. Allerdings sei St. Andreas „Lust und Last“ zugleich: einzigartig, wenn es darum gehe, besondere gottesdienstliche Momente zu gestalten. „Aber versuch mal, in St. Andreas eine Birne zu wechseln! Alles, was man anfasst, ist groß.“
Das trifft auch auf das Programm zu, mit dem das Jubiläum gewürdigt wird. Am Freitag, 11. September, beginnt es mit einem Abend der Begegnung auf dem Andreasplatz, anschließend präsentiert der Kirchenkabarettist Matthias Schlicht um 20.30 Uhr sein Spezialprogramm „Andreas heißkalt“. Am Samstag steigt um 14 Uhr ein Familienfest rund um St. Andreas, um 18 Uhr wird – wie 1965 – Bruckners f-moll-Messe aufgeführt, ein Benefizkonzert für die Stiftung St. Andreas. Der Sonntag wird um 10 Uhr durch einen Festgottesdienst mit Landessuperintendent Eckhard Gorka eingeläutet, ab 15 Uhr gibt es Vorträge, Kirchen-, Turm- und Orgelführungen sowie Filmbilder vom Wiederaufbau.
Kultur und Kommunikation50 Jahre Wiederaufbau St. Andreas: Für Superintendent Helmut Aßmann, Kirchenvorsteher und Bürgermeister Ekkehard Palandt, Maurer Burkhard Thamm und Pastor Detlef Albrecht ein ganz besonderes Jubiläum. Foto: Ralf Neite