Startseite Archiv Nachricht vom 28. August 2015

Zwischen Urlaubsfreude und Flugangst - Ulrich Krämer ist Flughafen-Seelsorger in Hannover

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Langenhagen/Reg. Hannover (epd). Kos, immer wieder Kos. Die Frau vom Last-Minute-Schalter kann es schon nicht mehr hören. Immer billigere Flüge wollten die Leute, sagt sie. Aber auf die griechische Urlaubsinsel Kos, nein, da wollten sie dann aber doch nicht hin. Da wären ja jetzt so viele Flüchtlinge. Annette Knuth ist richtig wütend über so viele Vorurteile. Als Seelsorger Ulrich Krämer an ihrem Schalter vorbeikommt, lässt die Verkäuferin ihrem Frust freien Lauf. "Ich sage denen, dass sie sich besser informieren sollen. Manche schicke ich sogar weg."

Ulrich Krämer arbeitet seit zehn Jahren als evangelischer Pastor am Flughafen in Hannover-Langenhagen. Für einen Seelsorger ein höchst interessanter Arbeitsplatz, sagt der 60-Jährige: "Alles, was es im Leben an Emotionen gibt, verdichtet sich am Flughafen: Flugangst, Hoffnung auf den vermissten Partner, Trauer über den Abschied." Oder eben Wut und Enttäuschung wie bei der Verkäuferin der Last-Minute-Reisen. Ulrich Krämer hat für alles ein offenes Ohr, hilft und ermutigt, wo er kann. Manchmal auch durch ein Gebet oder einen Segen. In seltenen Fällen wird er sogar zu Todesfällen gerufen, die sich auf einem Flug ereignet haben, und steht den Angehörigen bei.

Die Gespräche mit den Mitarbeitern des Flughafen sind ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Besonders wichtig waren sie beim Absturz der Germanwings-Maschine, die der Copilot vor fünf Monaten in den französischen Alpen an einer Felswand zerschellen ließ. Eine lähmende Stimmung habe sich damals auch am Flughafen Hannover breitgemacht, obwohl dort niemand direkt betroffen war. "Das lässt keinen kalt, der da arbeitet." Man kenne sich eben gegenseitig an Flughäfen und Airlines - Stewardessen, Bedienstete, Piloten. "Die Menschen denken: Wenn der Dienstplan etwas anders gewesen wäre, dann wäre mir das passiert."

Doch auch mit Passagieren sucht er das Gespräch, verteilt dabei Gummibärchen in Flugzeugform oder Notizblöcke. Maria-Elena Jimenez aus Hildesheim möchte lieber einen Reisesegen haben. Sie sei sehr gläubig und freue sich über die Geschenke der Flughafenseelsorge. Und ihr neunjähriger Sohn Lucien sagt: "Ich habe ein bisschen Flugangst. Der Reisesegen beruhigt mich."

Auf einem Gang zwischen den Terminals A und B, etwas versteckt hinter Milchglas, betreut Krämer gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen und ehrenamtlichen Mitarbeitern eine kleine ökumenische Flughafen-Kapelle. In diesem Jahr feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen. Acht Stühle, ein kleiner Altar, gedämmtes Licht, die Tapeten gelb-rot - hier können Reisende und Mitarbeiter im Flughafen-Stress zur Ruhe kommen. Die Tür ist 24 Stunden geöffnet. Auf dem Altar zieht ein goldenes Kreuz die Blicke an, an den Wänden zwei Ikonen.

"Im Monat kommen zwischen 300 und 500 Menschen hierher", erzählt der Pastor. Neben dem Regal mit den Bibeln steht eine Telefonnummer, sie ist direkt auf das Handy des Seelsorgers umgeschaltet. Die Kapelle sei vom Flughafen inzwischen nicht mehr wegzudenken, sagt Airport-Chef Raoul Hille.

Insgesamt haben elf deutsche Flughäfen solche Kapellen. Krämer hat hier schon zwei Trauungen und eine Taufe für Flughafen-Personal abgehalten. Eine Mitarbeiterin habe ihn einmal überrascht. Sie wollte, dass er in der Kapelle ihr Motorrad segnet. Für den Protestanten Krämer eine Verlegenheit: "Wir segnen ja eigentlich keine Dinge." Den Segen gab es schließlich für die Fahrerin.

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Flughafenseelsorge-Trolley vor der Kapelle. Bild: EMSZ