Kirchlicher Agrar-Experte fordert mehr Verständnis für konventionelle Landwirte
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Hannover/Würzburg (epd). Der kirchliche Agrar-Experte Clemens Dirscherl hat in der Diskussion um das Tierwohl mehr Verständnis für die Situation der konventionellen Landwirte gefordert. Sie sähen sich in einer Zwickmühle zwischen dem Verlangen nach billigem Fleisch einerseits und Rufen nach artgerechter Tierhaltung andererseits, sagte der Beauftragte für agrarsoziale Fragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.
"Die naturentfremdete Gesellschaft hat eine Sehnsucht nach ländlicher Idylle entwickelt und vergisst dabei, dass sie das Schnitzel am liebsten günstig beim Discounter kauft." Das sei die "Agrar-Schizophrenie" des modernen Verbrauchers, sagte Dirscherl, der auch Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg ist.
Die Landwirte hätten bis in die 1990er Jahre hinein in Universitäten, Fach- und Berufsschulen gelernt, dass es darauf ankomme, möglichst große Mengen möglichst kostengünstig zu produzieren. Damals hat es das Wort Tierwohl überhaupt noch nicht gegeben", betonte der Sozialökonom. Deshalb sähen die Bauern sich nun zu Unrecht von Medien sowie Tierschutz- und Umweltorganisationen als Tierquäler und Luftverpester an den Pranger gestellt.
Die Landwirtschaft und die Gesellschaft insgesamt müssten sich allerdings tatsächlich fragen, "ob da nicht auch einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Brauchen wir zum Beispiel wirklich Tiere, die 10.000 oder 12.000 Liter Milch geben oder reicht uns nicht eine Kuh mit 8.000 Litern?" Die Landwirtschaft habe sich mit Einverständnis des Verbrauchers von Organisationsprinzipien aus der Industrie prägen lassen, von reinen Input-Output-Relationen. "Dabei haben wir vergessen, dass nicht der Landwirt produziert, sondern die Natur. Der Landwirt stellt die Rahmenbedingungen, dass es für die Pflanze und das Tier zum guten Gedeihen ist."
Dirscherl forderte auch die Kirche auf, die konventionellen Bauern nicht im Regen stehenzulassen. "Natürlich ist für uns als Kirche im Sinne der Schöpfungsbewahrung der ökologische Landbau ein Leitbild." Wenn die Kirche dieses Leitbild eins zu eins umsetzen wolle, müsse sich zuerst die Gesellschaft verändern, aber auch die Handelsströme, die Weltwirtschaft und das gesamte Wertgefüge.
Doch bei allem Verständnis müssten die Landwirte auch akzeptieren, dass gewisse Veränderungen unausweichlich seien: "Business as usual geht nicht." Dirscherl appellierte an die Politik, die Landwirte mitzunehmen und ihnen neue Gesetze - etwa zum Abschneiden der Ringelschwänze ihrer Schweine oder zur Vergrößerung von Ställen - nicht einfach aufzudrücken. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich Tierschutz finanziell lohne und die Bauern nicht in den Ruin treibe.
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