Startseite Archiv Nachricht vom 17. August 2015

„Wir fühlen uns hier zu Hause“

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Osterode. „Dutzende Menschen sind bei Sprengstoffanschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul gestorben, Hunderte wurden verletzt“, lautete die Meldung in den Nachrichten letzte Woche. Feuergefechte mit Verletzten oder sogar Toten gibt es fast täglich. In Afghanistan herrscht ein Alltag des Schreckens: Radikal-islamische Taliban kämpfen gegen die prowestliche Regierung in Kabul. Auch die gegnerische Terrororganisation Islamischer Staat (IS) mischt mit. Beide Gruppen kämpfen um die Vorherrschaft in Teilen Afghanistans. Das Land wird von Korruption beherrscht. Bomben gehen hoch, unschuldige Menschen sterben.

Wie ist sein muss, in diesem Land zu leben? Jeden Tag Todesängste auszustehen? Und in dieser grausamen Welt Kinder großzuziehen? Kaum vorstellbar. Deshalb sind Nila und Ahmad S. mit Tochter Sahar (Namen von der Redaktion geändert) vor zwei Jahren und acht Monaten aus Kabul geflohen. Als Nila gerade im siebten Monat schwanger war. „Was in Afghanistan passiert, ist grauenvoll. Ich bin Demokrat und kann dieses Blutbad nicht verstehen“, sagt Ahmad S. Die beiden haben das afghanische Abitur und können sich gut auf Englisch verständigen. Einige Wochen war die Familie unterwegs, flog erst nach Dubai, dann ging es nach vielen Tagen weiter in ein arabisches Land. Welches genau, wissen sie nicht mehr. „Wir hatten gefälschte Pässe, waren nachts unterwegs und mussten uns ständig verstecken“, erzählt Ahmad. Sie schafften es wohlbehalten bis in die Türkei. „Nach ein paar Tagen in Istanbul ging unsere Reise weiter“, sagt der 33-Jährige.

Im Januar 2013 erreichten sie schließlich Deutschland. „Für das Schmuggeln über die Grenzen haben wir insgesamt etwa 40 000 Dollar bezahlt“, gibt Ahmad zu, der in Afghanistan im Amt für Drogenfahndung arbeitete. Etwa 90 Prozent des weltweiten Opiums, das die Grundsubstanz von Heroin bildet, kommt aus Afghanistan. Drogenbosse befinden sich auch in der Politik und agieren als Schutzpatrone des illegalen Wirtschaftssektors. Ahmad S. nahm eine Gruppe von Drogenhändlern hoch. Sie wurden zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt und drohten Ahmad S. Tötung aus Rache an. Diese Rache wird bis heute aufrechterhalten.

Das Geld für die Flucht bekam Ahmad von seinem Vater, der noch immer in Afghanistan lebt. „Die Entscheidung, unsere Familien zu verlassen, fiel uns sehr schwer. Aber wir sind in Afghanistan nicht sicher“, beschreibt Nila S. ihre Situation. Zunächst lebte die Familie, die einen Monat nach Ankunft in Deutschland Zuwachs durch Töchterchen Amina (Name von der Redaktion geändert) bekam, im Flüchtlingslager in Bramsche. Dann wurden die vier weiter in den Landkreis Osterode geschickt.

„Hier fühlen wir uns zu Hause“, sagt Ahmad lächelnd und erklärt: „Hier ist es grün und für die Kinder schöner, als in einer Großstadt.“ Für die Zukunft wäre es der größte Wunsch der Familie, dauerhaft hier in Deutschland bleiben zu dürfen.

Der Gerichtstermin, an dem darüber entschieden wird, steht am 1. September an. Wenn diese große Hürde genommen ist, wünscht sich Familie S. eine noch bessere Integration in die Gesellschaft, Anschluss an Vereine und auf jeden Fall Arbeit. An besserem Deutsch wird gefeilt, Tochter Sahar geht in die Grundschule, Amina kommt nächstes Jahr in den Kindergarten. „Wir fühlen uns hier sehr wohl und willkommen!“, sagt Familie S. Nun heißt es Daumendrücken.

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Harzer Land
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Familie S. flüchtete aus Afghanistan nach Deutschland und lebt nun im Landkreis Osterode; Bild: Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Harzer Land

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Die Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Harzer Land beginnt mit diesem Artikel eine „Willkommenskultur“. In loser Folge erscheinen hier Berichte über die Flüchtlingsarbeit im Kirchenkreis.