Startseite Archiv Nachricht vom 15. August 2015

Medizinsoziologe: Traumatisierte Flüchtlingsfrauen brauchen schnell ein stabiles Umfeld

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Hannover (epd). Schwer traumatisierte Flüchtlingsfrauen brauchen dem Medizinsoziologen Ramazan Salman zufolge möglichst schnell ein stabiles Umfeld. "Erst nach vielen Wochen und Monaten können die durch IS-Gefangenschaft erlebten Gräuel auch psychologisch aufgearbeitet werden", sagte der Leiter des Ethno-Medizinischen Zentrums in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der niedersächsischen Staatskanzlei zufolge wird das Land in den kommenden Wochen rund 70 Flüchtlingsfrauen aus dem Nordirak aufnehmen.

Die Frauen seien durch Gefangenschaft, Folter und Vergewaltigungen der Terrormiliz schwer krank und verletzt, sagte Salman. Sorge bereite ihm die mögliche Unterbringung der Betroffenen in großen Sammelunterkünften. "Die Frauen können schnell erneut traumatisiert werden und sind unter Umständen suizidgefährdet."

Ausflüge in die Stadt und die Region oder Aktivitäten wie gemeinsames Kochen könnten den Frauen zunächst helfen, eine neue Perspektive zu entwickeln, sagte der Experte. "Traumatisierte haben oft Schwierigkeiten mit der Orientierung, wissen nicht, wo sie sind, wo sie im Leben stehen und auf wen sie zählen können."

Das Engagement der Stadt für die Frauen sei zu begrüßen, sagte Salman. Das auf Krisenintervention spezialisierte Zentrum wolle die kommunalen Stellen bei der Vermittlung von Dolmetschern oder Behördengängen und der Regelversorgung unterstützen. Auch würden stetig Ärzte und Psychologen für den Umgang mit Migranten geschult. Nur so könnten langfristig Probleme wie Bildungsarmut oder Arbeitslosigkeit vermieden werden.

Copyright: epd-Landesdienst Niedersachsen

Hintergrund: Das Ethno-Medizinische Zentrum

Das Ethno-Medizinische Zentrum wurde 1991 gegründet, um Migranten bei der Gesundheitsversorgung zu helfen und die Gesundheitsdienste zum Beispiel durch Gesundheitsdolmetscher zu unterstützen. Die eigens entwickelten Integrationsprojekte "MiMi - Gesundheit für Migranten" und "Mothers for Health" sind mittlerweile bundesweit an 59 Standorten vertreten. Diese Hilfsangebote seien notwendig, weil Migranten von einer höheren Säuglings- und Müttersterblichkeit, Infektionskrankheiten, Depressionen und erhöhten Risiken von Alterskrankheiten betroffen sind.