„In Würde arbeiten und leben (können)“
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Thessaloniki im Mai 2015
Die Frau mit ihrem Besen sticht mir sofort ins Auge. Präzise und gründlich kehrt sie die Straße. Mit jeder Faser drückt sie aus: Eigentlich ist das nicht „meine“ Arbeit. Aber meine Würde lasse ich mir nicht nehmen.
Handverpackte Öko-Seife
Wir fahren mit dem Bus an den Stadtrand. Auf einem verfallenden Fabrikgelände werden wir herumgeführt. In einer Halle sitzen zwei Männer. Geduldig verpacken sie per Hand Seife, stundenlang. Wir sind bei Vio.Me. Eines Tages machten sich die Inhaber aus dem Staub. Die Arbeiter/-innen besetzten das Gelände. Unter einfachsten Umständen verdienen sie mit ökologischen Reinigungsmitteln ein paar hundert Euro im Monat. Sie kämpfen weiter, obwohl sie schon viel verloren haben. Aber nicht ihre Würde.
Bedrohte Würde
Würde, dieses Wort hören wir oft in diesen Tagen. Wir arbeiten genauso hart wie ihr in Deutschland. Erzählt uns nicht, wir wären faul. Wir helfen uns untereinander, wo wir nur können. Krebskranke teilen sogar ihre Medikamente. Junge Menschen engagieren sich in der Politik, voller Hoffnung auf eine Wende im Land. Andere versuchen die uralte Idee der Sozialgenossenschaften neu zu beleben. Auch von eigenen Fehlern ist die Rede. Und das sich viel ändern muss. Feindseligkeit erleben wir nicht. Aber emotional wird es immer dann, wenn die Würde bedroht scheint. Und das ist sie, an vielen Stellen im Land.
Blick von unten
Die neue Denkschrift der EKD („Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“) spricht sich für eine Ökosoziale Marktwirtschaft aus. Solch ein Ansatz würde nicht nur Deutschland gut tun. Er ermöglicht auch den Blick von unten, den uns einst Dietrich Bonhoeffer eingeschärft hat: „Es bleibt ein Ereignis von unvergleichlichem Wert, dass wir die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten,
Beargwöhnten, Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten, kurz der Leidenden sehen gelernt haben. Wenn nur in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen hat, dass wir Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und Schwäche mit neuen Augen ansehen, dass unser Blick für Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit klarer, freier, unbestechlicher geworden ist.“ (aus: Widerstand und Ergebung) Von unten geschaut gibt es auch in unserem Land noch etliche Baustellen. Würde und Hartz IV, um nur ein Beispiel zu nennen. Oder Mobbing, manche Werksvertragsarbeitende
Begegnung auf Augenhöhe
Was können wir konkret für Griechenland tun? Diese Frage haben wir in Thessaloniki auch gestellt. Die Antwort lautete: Kommen Sie uns besuchen. Machen Sie hier Urlaub. Und dann sprechen Sie mit uns.Begegnen Sie uns auf Augenhöhe. In Würde eben.
Haus kirchlicher Dienste - Dr. Matthias Jung