Theologe Jung: Osnabrück ist bedeutender Ort der Reformation in Deutschland
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epd-Gespräch: Martina Schwager
Osnabrück/Leipzig (epd). Die Reformation hat in Osnabrück nach Ansicht des evangelischen Theologen Martin Jung zu einem besonders toleranten Miteinander von Protestanten und Katholiken geführt. Seit den 1520er Jahren lebten in der Stadt Angehörige beider Konfessionen Seite an Seite. Damit sei sie einzigartig in ganz Deutschland und gehöre zu den bedeutenden Städten der Reformation, sagte der Professor der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig hat Osnabrück deshalb in ihre Heft-Reihe "Orte der Reformation" aufgenommen. Das von Jung und dem evangelischen Superintendenten Friedemann Pannen herausgegebene Heft mit 76 Seiten wurde am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt. Bisher sind unter anderem die Ausgaben Wittenberg, Eisenach, Dresden, Nürnberg und Heidelberg erschienen. Insgesamt sollen bis 2017 rund 50 Hefte über "Orte der Reformation" informieren. In Niedersachsen sind das außer Osnabrück noch Emden, Wolfenbüttel und Braunschweig.
Osnabrück gehöre zu den Städten, in denen die Reformation schon ganz früh Fuß fasste, betonte Jung. Schon 1521 habe ein Ordensbruder Martin Luthers, Gerhard Hecker, begonnen, evangelisch zu predigen. In den 1540er Jahren habe es dann der reformationswillige Bischof Franz von Waldeck dem Protestanten Hermann Bonnus ermöglicht, in der Stadt eine lutherische Kirchenordnung einzuführen. "Dass ein Bischof die Reformation vorantrieb, war höchst selten", sagte Jung.
Zwar habe Franz von Waldeck auf Druck des Kaisers schon fünf Jahre später alles förmlich widerrufen müssen: "Doch der evangelische Glaube ließ sich aus Osnabrück nicht mehr zurückdrängen, obwohl wieder offiziell katholisch regiert wurde." Ein "leuchtendes Beispiel für tolerante Verhältnisse" sei Osnabrück dann durch den "Westfälischen Frieden" von 1648 geworden, der in den Rathäusern von Osnabrück und Münster geschlossen wurde und den Dreißigjährigen Krieg beendete.
Dort wurde festgelegt, dass sich in Osnabrück katholische und evangelische Bischöfe in der Regentschaft abwechseln sollten. "Das war überall sonst völlig undenkbar", sagte Jung. Diese Regelung habe dazu geführt, dass in der Stadt und den Ortschaften der Umgebung die jeweiligen konfessionellen Minderheiten zunächst notgedrungen geduldet, später auch bewusst toleriert wurden. "In ganz Deutschland gab es sonst nur geschlossene Verhältnisse. Minderheiten wurden nicht geduldet und mussten auswandern." In Osnabrück seien die Bürger gezwungen gewesen, miteinander auszukommen. "Das hat sich dann in ein offenes aufeinander Zugehen gewandelt, das bis heute spürbar ist."