"Museum für Menschen mit und ohne Demenz"
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Ein ungewöhnliches „Feuerwerk der Phantasie“ entflammen zwanzig Künstlerinnen und Künstler in einer Gemeinschaftsausstellung. Fast sechzig Gemälde, Aquarelle und Objekte werden jetzt erstmals gezeigt; sie entstanden im Rahmen des Projektes „Museum für Menschen mit und ohne Demenz“ – eine Kooperation zwischen Landesmuseum Hannover und Henriettenstiftung Altenhilfe.
Die Ausstellung im Hilde-Schneider-Haus, dem Pflege- und Therapiezentrum in der Fischerstraße 1 in Hannover nahe dem Königsworther Platz wird eröffnet am Donnerstag, 26. März 2015, 17.00 Uhr.
Dabei wird die Projektleiterin des Landesmuseums, PD Dr. Dagmar-Beatrice Gaedtke-Eckardt die Arbeiten vorstellen. Die Ausstellung kann täglich besucht werden zu den Öffnungszeiten des Hauses von 8-18 Uhr. Führungen sind auf Wunsch möglich, Anmeldungen unter (0511) 289-4401 oder Joachim Döring, 0171-2035974.
Menschen finden ihre Sprache. Farben, Linien, Formen lassen Landschaften, Gebäude und Gesichter entstehen. Erinnerungen werden wach. Die Künstlerinnen und Künstler folgen den Anregungen der Leiterin aus der Museumspädagogik des Landesmuseums, der Künstlerin Brigitte von Wintzingerode. Sie rühren Farben an, sprühen mit Sieb und Pinsel Farbtupfer auf das Papier, reißen Seidenpapier in Streifen und kleben sie zu Mustern und Formen zusammen. Am Ende steht ein künstlerisches Werk ganz eigener Art, eine Seerose auf ruhig bewegtem Wasser, Fische, Seepferde, Seesterne, Landschaften, Gebäude. So haben sie ihr eigenes Haus gemalt, eingebettet in eine Dorflandschaft. Oder es sind Stadtansichten entstanden, Kirchtürme, Engelsgestalten. Wie beiläufig tauschen sie sich aus über ihre Erfahrungen, erzählen von vergangenen Zeiten und verknüpfen diese mit ihrer Gegenwart.
Einmal im Monat kommen die Seniorinnen und Senioren ins Landesmuseum. Sie sehen zuerst Bilder aus der Landesgalerie oder aus den Naturwelten des Aquariums. Sie betrachten ausgewählte Arbeiten, die immer unter einem Thema stehen, sie hören den Erläuterungen der Kulturwissenschaftlerin Marie Lieberum zu und diskutieren über die Interpretation. Die Bilder beginnen zu sprechen, sie regen die eigene Phantasie an. Dann zieht die Gruppe weiter durch die Landesgalerie zum nächsten Bild. Unterwegs fällt der Blick auf weitere Arbeiten bekannter Künstler, markanter Motive. Erinnerungen werden wach an Künstlerinnen und Künstler und an Motive und Orte. Gespräche ergeben sich.
Erst im zweiten Schritt geht es in den Atelierraum. Dort finden die Mitglieder der Gruppe alle Materialien vor, sie sehen sich ein Muster an und lassen sich anregen, um an den eigenen Gedanken in Formen und Linien und Farben zu arbeiten. Der sonst eher nüchterne Raum mit den großen Tischen ist sorgfältig vorbereitet mit weiteren phantasievollen Darstellungen zum angebotenen Thema. Außerdem gibt es Hilfen und Gespräche mit den Begleitungen der Museumspädagogik des Landesmuseums. Nach ungefähr einer guten Stunde sind die Arbeiten fertig. Sie werden präsentiert, besprochen und mit Beifall bedacht, und sie werden mitgenommen von den Betroffenen. So sind in den beteiligten Altenheimen kleine Galerien mit diesen Arbeiten entstanden.
Seit Dezember 2013 kommen in wechselnden Gruppen regelmäßig Seniorinnen und Senioren im Rahmen dieses Projektes „Museum für Menschen mit und ohne Demenz“ ins Landesmuseum. Etwa zwölf Personen passen in das Atelier. Manche kommen immer wieder, andere pausieren, wieder andere stoßen neu hinzu. Auf diese Weise wird das Museum zu einem neuen Lebensraum. Die Arbeiten lassen sich präsentieren und bieten Anlass für Gespräche auch mit Besuchern in den Altenzentren. Der Stolz über Geschaffenes schwingt unüberhörbar mit.
Insgesamt sind etwa hundert Arbeiten entstanden von fast fünfzig Künstlerinnen und Künstlern. Davon zeigt die Ausstellung jetzt knapp sechzig Werke. Darunter sind auch Objekte wie „Katzen“, geformt aus Drahtgeflecht mit Aluminiumfolie, oder Mobiles. Alle Arbeiten sind künstlerischen Vorbildern nachempfunden und in der Technik entsprechend bearbeitet: Für die Mobiles standen Werke von Alexander Calder Pate, für die „Tierwelten“ entsprechende von Alberto Giacometti, für die „Wasserwelten“ Henri Matisse oder die Engelgesichter von Paul Klee. Die Vorbereitungen sind intensiv, weil immer wieder neue Techniken entdeckt, entwickelt und erprobt und schließlich an die Möglichkeiten der Seniorinnen und Senioren angepasst werden müssen.
Mit dieser Ausstellung beginnt die zweite Phase dieses Projektes. Die erste ist abgeschlossen. Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Seniorinnen und Senioren haben sich anregen lassen und sind mit Begeisterung dabei. Sie erzählen gerne anhand ihrer Arbeiten von ihren Erfahrungen. Manche haben erst durch die Kunst des Malens ihre Worte wiedergefunden. Jetzt in der zweiten Phase werden auch Interessierte außerhalb der Heime aus der Henriettenstiftung Altenhilfe eingeladen. Die Idee, die Welt der Museen auch für „Menschen mit und ohne Demenz“ zu erschließen, hat sich bewährt. Sie geht auf eine Anregung von Monika Stadtmüller, Vorsitzende des Seniorenbeirates der Stadt Hannover, zurück. Sie wurde aufgegriffen von Landesmuseum und Henriettenstiftung und finanziert aus Mitteln des Diakonischen Werkes in Niedersachsen. Die Idee soll jetzt breiter Fuß fassen. Es ist kein normaler Museumsbesuch; es ist auch kein Aktionstag für Menschen mit Demenz; vielmehr ist es eine intensiv begleitete Form einer Gemeinschaftsarbeit für Menschen mit und ohne Demenz, die neue Möglichkeiten auch im Umgang mit den Betroffenen erschließt.
Die entstandenen Arbeiten sprechen ihre ganz eigene Sprache. Sie knüpfen an Bekanntes an, aber sie zeigen auch in der Vielfalt der ganz individuellen Umsetzung, wie sehr die Künstlerinnen und Künstler ihren eigenen Lebenserfahrungen Ausdruck verleihen. Deshalb zeigt die Ausstellung die Vielfalt der je eigenständigen Arbeiten zu einem Thema als Variationen. Und sie zeigt die Vielfalt der Themen, die im Laufe des ersten Jahres entstanden sind. Die Begleitung dieses Projektes ist intensiv. Die Museumspädagogik engagiert sich mit vier Personen, seitens der Henriettenstiftung sind weitere vier oder fünf Pflegekräfte beteiligt. Die Ausstellung ist bis zum 16. Juni 2015 zu sehen.
Vernissage: Donnerstag, 26. März 2015, 17.00 Uhr, Pflege- und Therapiezentrum Hilde-Schneider-Haus, Fischerstr. 1, 30167 Hannover