„Verlasse Dich auf Menschen und Du bist verlassen“ – diese Warnung kenne ich auch. Ich mag Wortspiele. Aber bei diesem steht ein negatives Menschenbild im Hintergrund. Die Erzählung aus der Bibel, die heute – am Sonntag Palmarum – im Mittelpunkt steht, erzählt, dass es stimmt. Nie zuvor ist Jesus so bejubelt worden wie hier. Das Volk jubelt und bereitet dem Mann aus Nazareth einen begeisterten Empfang. Palmzweige werden geschwenkt. „Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel.“
Den Pharisäern dagegen ist nicht nach Jubeln zumute. Die verfolgen das wilde Treiben mit finsteren Blicken. Resigniert stellen sie fest: „Alle Welt läuft ihm nach.“ Kaum ist die erste Euphorie verebbt, geht die Erfolgskurve des Heilsbringers steil nach unten. Er wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Er wird geschlagen und bekommt eine Dornenkrone auf den Kopf gedrückt. Die Geschichte von Jesus, die in Galiläa anfing und beim Einzug in Jerusalem ihren Höhepunkt erreichte, endet mit einer Niederlage. „Erfolg ist kein Name Gottes“, hat Martin Buber einmal gesagt.
„Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten.“, sagt Jesus (Mt 16, 24-25). Das ist ein deutliches Signal und soll es auch sein. Es nimmt die Realität dieser Welt ernst und lässt sich schon deshalb von Schwärmerei und palmenschwenkendem Hurra-Geschrei nicht beeindrucken.
Trotzdem rät Jesus nie: Traue niemandem! Im Gegenteil. Sein ganzes Leben ist eine einzige Einladung zum Vertrauen auf ihn und seine Vollmacht. Zum Vertrauen auf den himmlischen Vater und seine grenzenlose Liebe. Er hat auch Menschen Vertrauen entgegengebracht, seinen Jüngern, obwohl die ihn des Öfteren enttäuschten. Immer wieder sah er ihnen ihr Versagen nach und rief sie in seinen Dienst. So wie damals sie, ruft er heute uns, Dich und mich. Und er traut uns zu, in seinem Sinne zu wirken und Salz der Erde zu sein.
Ohne Vertrauen im Leben geht es nicht. Wenn ich eine Ehe eingehe, wenn ich einen Arzt aufsuche, in ein Flugzeug steige. Ohne Vertrauen im Leben geht es nicht. Die Losung muss daher lauten: Wage es, zu vertrauen! Wage es, Menschen zu vertrauen. Wage es, auf Gott zu vertrauen, auch wenn er gelegentlich Wege mit Dir geht, die Du nicht verstehst. Wage es, Jesus zu vertrauen und zu folgen, auch wenn es ein steiniger und unbequemer Weg ist.
Mit Palmarum fängt die Karwoche an. Aber damit sind wir nur noch eine Woche von Ostern entfernt. Nur noch ein paar Tage entfernt von der Gewissheit, dass unser Gott für uns eine Wirklichkeit bereit hält, die es mit jeder Karwoche aufnimmt. Eine Wirklichkeit, die uns erlöst und lockt. Dann und schon jetzt.
Amen.
Johannesevangelium 12,12–19