An den Volkstrauertagen in den vergangenen Jahren haben wir in den Gottesdiensten an die großen Kriege gedacht, an denen Deutschland beteiligt war. Darüber hinaus haben wir an die Auseinandersetzungen in der Welt gedacht, an die Gewalt in unseren Straßen, unseren Wohnzimmern und Küchen. An die Orte in der Welt, zu denen deutsche Soldaten unterwegs waren. Wo sie ihr Leben riskieren. Für Frieden.
Krieg war die ganze Zeit aktuell.
Auf ganz unterschiedlichen Ebenen, immer verletzend, zu oft tödlich.
Seit die russische Armee in die Ukraine einmarschiert ist, ist Krieg ganz nah an uns herangerückt. „Frieden schaffen ohne Waffen“? Ein Slogan auf den Kofferraumklappen meiner Kindheit. Heute wird der Slogan gar nicht mehr benutzt, und die Politik entscheidet anders.
Man kann einen Krieg gewinnen, aber damit noch lange keinen Frieden gewinnen. Wir leben in einem brüchigen Frieden, einem Frieden, der angreifbar ist mitten in einer Welt von Konflikten und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Frieden, der mit dem Krieg rechnet. Einem Frieden voller Anspannung und Befürchtungen…
Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht! Das ist die Grundlage für Frieden, der hält, was er verspricht. Wer sich selbst nicht fürchtet, muss auch keinem anderen das Fürchten lehren. Wer selbst nicht schreckhaft ist, muss keinen Schrecken verbreiten. Der muss keine Raketenschutzschilde installieren und keine Nachbarländer überfallen. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht! So finden Begegnungen statt. So ist Frieden möglich.
„Meinen Frieden gebe ich euch.“ Wie ein ferner Ruf klingt diese Zusage von Jesus in unsere Zeit. Diese Worte aus Jesus’ Mund erzählen eine besondere Friedensgeschichte. Die Geschichte vom Leben von Jesus ganz nah bei den Menschen, in ihren Konflikten, die Geschichte von seinen Wegen an der Seite der Vergessenen und Entrechteten, von seinem Ende am Kreuz, verraten und verlassen. Es ist die Geschichte vom Weg Gottes in unsere friedlose Welt, mitten hinein. Die Geschichte von seinem Frieden, der sich in unsere Auseinandersetzungen, unsere Schmerzen und Verletzungen hineinbegibt. Diese Geschichte kehrt keine wunden Punkte unter den Teppich. Da werden Schmerz und Dunkelheit spürbar. Und zugleich ist es die Geschichte von dem, der in seiner Kraft als Gottessohn einen anderen Frieden als den der Welt verspricht. „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Am Kreuz wird deutlich: Dieser Frieden ist keiner, der mit Waffengewalt zu bewahren ist oder zu erlangen. Dieser Frieden setzt sich aus. Dieser Frieden ist riskant.
Ja, vielleicht sehnt sich Gott nach ‚Friede auf Erden’; nicht nur nach Waffenruhe, nicht nach mit Waffengewalt gesicherten Kompromissen. Nach einer Welt, in der „Wölfe bei den Lämmern wohnen“ (Jes 11,6) – angstfrei.
Amen.
Johannesevangelium 14,27