Bischofsbericht
Toleranz – Jahresthema 2013 in der Lutherdekade auf dem Weg zum Reformationsjubiläum und ein Schwerpunktthema von Landesbischof Ralf Meister in seinem Bericht auf der Frühjahrstagung der Landessynode:
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Mit einem Glückwunsch an den Niedersächsischen Landtag zur Feiertagsgesetzänderung begann Landesbischof Ralf Meister seinen Bericht vor der Frühjahrssynode. "Das wird es so kein zweites Mal geben", sagte der Bischof. Der Landtag hat beschlossen, dass der 31.10.2017 - Tag des 500jährigen Reformationsjubiläums - in Niedersachsen Feiertag werden soll.
Landesbischof Ralf Meister. Bild: Jens Schulze
Der leitende Geistliche setzte seine Ausführungen zum Thema "Reformation und Toleranz" mit einem Schuldbekenntnis fort. „Kirchen und die meisten Religionen sind kein Beispiel gelebter Toleranz. Sie waren oftmals die Institutionen, die mit ihren Wahrheitsansprüchen besonders intolerant waren. Deshalb muss die Toleranzgeschichte der christlichen Religion mit einem Schuldeingeständnis beginnen.“ Es gebe Unrecht in dieser Welt, das oft christlich begründet würde. Andersgläubige würden verfolgt und ermordet, Menschen anderer Hautfarbe diskriminiert und Frauen von religiöser und gesellschaftlicher Anerkennung ausgeschlossen. „An den Kirchen kann man lernen, welche verheerenden Auswirkungen eine massive Intoleranz haben kann.“
Nach Ansicht von Landesbischof Ralf Meister bestehe momentan in der Gesellschaft vorschnell eine Bereitschaft, Menschen auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit auf ein bestimmtes Schema festzulegen.
In seinen Ausführungen unter dem Stichwort „Toleranz“ problematisierte Meister in seinem Bericht vor dem hannoverschen Kirchenparlament gängige Vorurteile. „Wir stecken so tief in bestimmten Vorstellungen, dass wir glauben, schon genug über einen Menschen zu wissen, wenn wir hören, dass er Muslim sei.“ Hier würden wir jedoch - mit dem Wort des Nobelpreisträgers Amartya Sen - Gefahr laufen, in eine Identitätsfalle zu tappen. „Die Vorstellung, der Einzelne bekomme nur durch die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft oder seiner ethnischen Herkunft oder durch das Geschlecht seine Identität, ist falsch“, so Meister. Je mehr dagegen der Blick sich auf einen anderen Menschen weite, desto vielgestaltiger sei die Wahrnehmung der unterschiedlichen Facetten, die jeden Menschen ausmachten. Diese Weitung des eigenen Blickwinkels werfe aber die Frage auf, nach welchen Maßstäben und Maximen das eigene Handeln ausgerichtet ist.
Das religiöse Nachdenken über Toleranz, so Landesbischof Meister, ziehe automatisch die Wahrheitsfrage nach sich. Denn eine Reflektion der eigenen Wertmaßstäbe geschehe immer auf dem Hintergrund: Sind meine Maßstäbe die Wahren?
Er bezog sich dabei in seinem Bericht vor der Synode auf Lessings Ringparabel. „Für Lessing befindet sich der Andersgläubige nicht notwendig im Irrtum, er ist zu tolerieren wegen des Wahrheitspotentials oder der Wahrheitstendenz, die ihm zukommt.“
Der Kern der Wahrheit bleibe die Gottesfrage. Religiöse Toleranz setze sich daher von sich aus mit fremden Glaubenshaltungen auseinander und sorge dafür, dass die konkurrierenden Überzeugungen in der Öffentlichkeit präsent seien. „Eine Gesellschaft muss so gestaltet sein, dass in ihr die fremde Überzeugung nicht nur hingenommen wird, sondern einen öffentlichen Ort bekommt.“ In einer religiös zunehmend vielgestaltigeren Gesellschaft ist es nach den Worten von Ralf Meister nötig, einen fairen Streit untereinander zu führen. „Toleranz ist ein Akt der Freiheit“, so der leitende Geistliche.
„Intoleranz ist geboten gegenüber Positionen, die physische und psychische Gewalt zur Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen rechtfertigen. Formen des Rassismus, Antisemitismus, der Islamophobie, die Menschen die Teilhabe an unserer politischen Kultur untersagen, verdienen null Toleranz“, so Meister.
Die jüngsten Forschungen mit menschlichen Klonen werfen für den hannoverschen Landesbischof erneut die Frage nach den Grenzen der Wissenschaft auf. „Wir sind nicht mehr frei, nicht zu wollen, was wir technisch leisten können. In solcher Unfreiheit werden wir uns in Zukunft angesichts der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung immer häufiger sehen.“ Wer glaube, die Fragen nach den Grenzen von Wissenschaft solle ausschließlich im wissenschaftlichen Bereich beantwortet werden, denke zu kurz. „Denn welche Wissenschaft soll die Frage beantworten?“ Laut Meister brauche es daher nicht nur mediale Aufmerksamkeiten und Statements, „sondern eine kritische, staatlich sanktionierte Folgenabschätzung für Technologien und Forschungen.“