Landesbischöfin Margot Käßmann: Kirche soll sich einmischen
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Christinnen und Christen sollen sich mutig einmischen in die Welt. Das ist die zentrale Botschaft des aktuellen Berichts von Landesbischöfin Margot Käßmann vor der in Hannover tagenden Synode. Käßmann erinnerte an die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers, wonach der Herrschaftsanspruch Gottes auch für die Welt gelte. Mit seiner Schrift „Von Kaufshandlung und Wucher“ (1524) habe der Reformator ein Beispiel für die „Einmischung in die Wirtschaftswelt“ gegeben, sein Aufsatz „Eine Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle“ (1530) sei ein Beitrag zur Bildungspolitik gewesen. „Um solches Ringen um Weltgestaltung, das Einbringen der christlichen Sicht geht es auch heute“, sagte die Landesbischöfin.
Wahlkampf
Gespräche zwischen der Politik und Kirchenvertretern seien nötig, beispielsweise über das christliche Verständnis von Familie, die Sorge um Benachteiligte, die Zuwanderungsfrage und auch die Situation in der Pflege. Gerade in Zeiten des Wahlkampfes sollte die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Zukunft des Landes im Vordergrund stehen, mahnte die Landesbischöfin und fragte kritisch: „Geht es um die Frisur von Frau Merkel und die Tönung beziehungsweise Nichttönung der Haare von Herrn Schröder oder geht es ernsthaft um Positionen, Themen, Sachfragen?“ Die Kirche habe „auch Sorge zu tragen, dass Politikerinnen und Politiker in diesem Medienzirkus keinen Schaden an ihrer Seele nehmen.“
Im Zusammenhang der aktuellen Diskussion um den Streit zwischen Michel Friedmann und Jürgen Möllemann, sagte Käßmann: „Mich erschreckt zutiefst, dass ein offensichtlich immer noch latent vorhandener Antisemitismus anscheinend wieder salonfähig gemacht werden soll.“
Aufarbeitung der Vergangenheit
Ein weiterer Abschnitt des Bischofsberichtes galt der „Aufarbeitung der Vergangenheit“ im Blick auf ein gerade im Lutherischen Verlagshaus erschienenen Buches unter dem Titel: Neubeginn nach der NS-Herrschaft? Es mache sie außerordentlich nachdenklich, wie stark die Kontinuität auch in unserer Landeskirche ganz offensichtlich nach 1945 war, bekannte die Landesbischöfin. „Gab es so etwas wie organisierte Unbußfertigkeit?“ Auch in Zukunft werde sich die Kirche „immer wieder fragen müssen, wie tief wir verstrickt sind in das Vorhandene und wie kritisch unser Geist bleibt für das vom Evangelium her Gebotene.“
Gewalt überwinden
„Gewalt ist ein intensives, ein akutes und langfristiges Thema“, sagte Margot Käßmann mit Blick auf die Ökumenische Dekade und nannte als aktuelle Beispiele unter anderen das Massaker von Erfurt und den sich weiter verschärfenden Konflikt zwischen Israel und Palästina. Aber: „Hüten wir uns in der Gewaltfrage vor ganz einfachen Urteilen.“
Weitere Themen
Ein weiteres Thema des Berichtes galt dem Netzwerk Mirjam, das seit seiner Eröffnung im März 2001 bereits 16 Frauen Hilfe gewährt habe. „Ich plädiere weiterhin ganz deutlich für dieses Babykörbchen und für die anonyme Geburt.“ Zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Holland und Belgien sagte die Bischöfin: „Ich bin überzeugt, dass wir hier als evangelische Kirche eindeutig dagegen halten müssen.“ Vielmehr gelte es, die Hospizbewegung weiter auszubauen und „ganz dringend die Palliativmedizin zu verstärken“.
Nach rund einem Jahr als Mitglied des vom Bundeskanzler einberufenen Rates für nachhaltige Entwicklung fragte Käßmann „ob Mobilität nicht auch dem Gemeinschaftsgedanken, der Solidarität, dem Zusammenhalt von Familien und dem Aufwachsen von Kindern entgegensteht“. Die Kirche sollte beizeiten „von Pilotprojekten zu einer alltäglichen Praxis der Nachhaltigkeit übergehen“. Schließlich seien die Kirchen sowohl „local actors“ als auch „global players“.
Unter den „Notizen aus der Landeskirche“ ragte eine besonders hervor, die Bekanntgabe des Nachfolgers von Ernst Kampermann: Zum 1. Oktober 2002 wird Martin Schindehütte aus Hofgeismar bei Kassel Geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes.