Zukunftsprozess für die Landeskirche
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Wer am Freitagvormittag den Livestream der Landessynode verfolgte, mag zwischenzeitlich den Eindruck gehabt haben, eine Kochsendung zu verfolgen. Wencke Breyer und Roger Cericius stellten erste Überlegungen zum geplanten Zukunftsprozess der Landeskirche vor und verglichen die Erarbeitung und Durchführung einer völligen neuartigen Prozessgestaltung mit dem Ausprobieren exotischer Kochrezepte.
„Manche Zutaten geben Rätsel auf. Aber das gehört eben dazu und macht sogar den eigentlichen Reiz aus, sich dem Neuen zuzuwenden“, warb Cericius gleich zu Beginn um die nötige Aufgeschlossenheit für die nachfolgenden Beratungen. Manchmal müsse man den Mut haben, Zutaten auszutauschen oder in den Mengen zu variieren. Wie beim fertig zubereiteten Mahl, schmecke trotzdem nicht allen alles gleichermaßen gut. Doch gerade bei einer größeren Tafel würden alle Hände, die aktiv helfen, gebraucht, so Cericius.
Gerade angesichts schwindender Ressourcen dürfe es nicht darum gehen, „zu tun, was getan werden muss, sondern zu tun, was wir tun wollen“. Er wünsche sich, in 20 Jahren auf eine einen erfolgreichen Zukunftsprozess und eine zukunftsfähige Kirche schauen zu können. „Und ich möchte dann sagen können, dass wir in schwierigen Zeiten viel investiert haben: Mut, Zeit, Ressourcen, Glauben und Gottvertrauen.“
Mit den nun erarbeiteten Überlegungen zum Zukunftsprozess sei ein Rezeptbuch entstanden, in das nun die eigenen Erfahrungen und Anmerkungen eingeschrieben werden müssten, hob Breyer hervor. Anders als bei geheimen Familienrezepten, wären am Ende der Prozessplanungen die Ergebnisse für alle transparent und zugänglich. „Wenn wir uns untereinander austauschen, lernen wir voneinander, vermeiden Fehler, profitieren von Ideen und erleben, dass niemand allein ist mit der schweren Aufgabe“, ist sich die Vizepräsidentin aus dem Sprengel Hannover sicher. Die Vernetzung stärke nach Breyers Ansicht die Autonomie der Kirchengemeinden und Kirchenkreise.
Mit dem über mehrere Jahre geplanten Zukunftsprozess will sich die Landeskirche auf kommende Herausforderungen wie Mitglieder- und Einnahmerückgänge sowie den gesellschaftlichen Wandel und neue Zielgruppen einstellen. In der Landeskirche soll eine breite Diskussion über das gemeinsame Kirchenverständnis, der daraus folgenden Erfüllung der Aufgaben sowie den dafür erforderlichen Strukturen und deren Finanzierung geführt werden, heißt es in den Überlegungen, die den Synodalen vorgestellt wurden.
Erarbeitet wurden die Überlegungen von einem sogenannten Scoping-Ausschuss, der auf der letzten Synodentagung eingesetzt worden war. Er hatte den Auftag, den Umfang und Vorgehenswiese eines möglichen Zukunftsprozesses zu klären und zu konzeptionieren. Der eigentliche Zukunftsprozess soll durch das Kirchenparlament nach weiteren Beratungen voraussichtlich im November beschlossen werden.
In der Aussprache unterstrich Jörn Surborg, Vorsitzender des Landessynodalausschusses, dass das Konzept vor einer abschließenden Entscheidung angesichts mehrjähriger Laufzeit, hoher Kosten und inhaltlicher Unklarheiten weiterer Beratung bedürfe. „Ein solcher Prozess benötigt die Begeisterten ebenso wie die Zögerlichen, um breite Akzeptanz zu finden.“ Bei den Beratungen im Vorfeld der aktuellen Synodentagung seien neben viel Lob auch zahlreiche Fragen geäußert sowie „eine ganze Reihe von Bedenken“ vorgetragen worden, fasste Jörn Surborg die lebhaften Diskussionen um den Planungsentwurf in den Synodalgruppen zusammen.
In der Aussprache sorgten sich mehrere Synodale darum, wie eine breite Beteiligung erzielt werden kann und wie möglichst viele zum Mitmachen bewegt werden könnten.
Dr. Jörg Zimmermann, betonte, dass es auch Raum für Widerstände und Verunsicherungen brauche. „Denn auch Loslassen tut weh: was geben wir auf? Was werden wir künftig nicht mehr tun?“, so der Synodale aus dem Sprengel Lüneburg mit Blick auf künftige kirchliche Tätigkeitsfelder.
Der bisherige Entwurf beschreibt das Vorhaben als einen „nachhaltigen und lernenden Prozess“, der laufende und vergangene Innovationsprozesse bündeln und Akteur*innen auf allen Ebenen der evangelischen Landeskirche zusammenbringen will. Zudem sollen die Erfahrungen anderer Kirchen mit Modernisierungsprozessen sowie die Perspektiven außerkirchlicher Gruppen und Lebenswelten einbezogen werden.
Vorgesehen sind unter anderem sogenannte Erkundungsworkshops, die allen Interessierten in der Landeskirche offenstehen. Darin sollen zum einen konkrete Probleme und Anliegen in der täglichen kirchlichen Arbeit gesammelt und diskutiert werden. Zum anderen sollen „Ideen, Visionen, Erfahrungen und Leidenschaften“ eingebracht werden, die dazu beitragen sollen, kirchliches Handeln langfristig weiterzuentwickeln.
Verschiedene Gremien, darunter ein Koordinierungsrat, sollen den Prozess steuern. Zwischenergebnisse sollen auf einer digitalen Plattform geteilt und zugänglich gemacht werden. Laut Konzept ist der Zukunftsprozess bislang mit jährlich rund 475.000 Euro für Personal- und Betriebskosten sowie Projektmitteln von rund einer Million Euro veranschlagt.
Die Synodale Maike Selmayr wandte ein, dass eine „erneute Beratungs- und Bedenkschleife“ dazu führen könnte, die „Gunst der Stunde zu verpassen“. Der Projektausschuss habe mit „viel Engagement und Herzblut“ fast ein halbes Jahr Arbeit „in ein bewusst sehr offen gehaltenes, partizipatives Konzept investiert“, nun sei Mut gefragt, dieses Konzept mitzutragen.
Auch Dr. Stephanie Springer, Präsidentin des Landeskirchenamtes, warb für Vertrauen in den Zukunftsprozess und betonte, dass Beratungen zwar wichtig seien, „wir aber auch ins Tun kommen müssen“. Der Zukunftsprozess habe schon längst begonnen und sei etwas Neues und Gewagtes.
Wencke Breyer dankte abschließend für die breite Unterstützung nach intensiver Diskussion, deren Impulse in die weitere Arbeit des Scoping-Ausschusses einfließe. „Das macht Mut für die weitere Zusammenarbeit“, so Breyer.