Startseite Archiv Bericht vom 06. Mai 2009

Hintergrundberichte des epd zur Diskussion um eine Kirchenfusion in Niedersachsen

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Hannover (epd). Der niedersächsische Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) hatte 1947 eine kühne Idee. Gerade erst war es ihm mit Hilfe der britischen Besatzungsmacht gelungen, die alten Länder Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe zum Land Niedersachsen zu vereinigen. Und nun sollten die evangelischen Kirchen der Länder folgen. Eine große lutherische Landeskirche in Niedersachsen, hoffte Kopf, würde das neue Land spürbar stärken. Jetzt ist die Diskussion über eine mögliche gemeinsame evangelische Kirche in dem Bundesland durch eine Initiative des braunschweigischen Bischofs Friedrich Weber erneut aufgeflammt und wird in den Synoden der einzelnen Kirchen beraten.

Der SPD-Politiker Kopf, der als Gründungsvater Niedersachsens gilt, verrechnete sich mit seinem früheren Vorstoß: Vor allem die kleineren Kirchen pochten auf ihre Eigenständigkeit und wiesen Fusionspläne als "falsche Uniformität" zurück. So spiegeln sich auf der kirchlichen Landkarte bis heute die Wurzeln des Landes: Fünf evangelische Kirchen mit zusammen rund vier Millionen Mitgliedern bestehen noch weitgehend in den Grenzen der alten Fürstentümer. "Kein Bundesland hat eine vergleichbare Vielfalt vorzuweisen", sagt der Kirchenhistoriker Hans Otte aus Hannover.

Laut Otte hat jede Landeskirche ihre ganz besondere Eigenart. Die braunschweigische Kirche im Südosten des Landes mit 405.900 Mitgliedern ist geschichtlich besonders vom Geist der Aufklärung geprägt. Der theologisch gebildete Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) war hier an der fürstlichen Herzog August Bibliothek tätig, und seine Ideen fanden bei zahlreichen Geistlichen Anklang und Verbreitung.

Die kirchliche Erweckungsbewegung dagegen hat Schaumburg-Lippe im Südwesten beeinflusst. Die Kirche umfasst nur einen halben Landkreis und ist mit 61.180 Mitgliedern die zweitkleinste in Deutschland. Selbstbewusst stellen die Schaumburg-Lipper so manchen Trend auf den Kopf: Es gibt es wenig Austritte und steigende Wahlbeteiligungen.

Auch die oldenburgische Kirche im Nordwesten mit rund 463.000 Mitgliedern ging schon immer gern eigene Wege. 1849 setzten die Oldenburger ihren Großherzog als obersten Kirchenherrn ab und nahmen ihre kirchlichen Geschicke selbst in die Hand - ein Experiment, das vier Jahre währte.

Die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer beruft sich anders als ihre lutherischen Nachbarn auf den Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509-1564). Sie hat 188.450 Mitglieder, und zu ihren Gemeinden gehören auch einige außerhalb Niedersachsens.

Die hannoversche Landeskirche schließlich ist mit rund 3,03 Millionen Mitgliedern die größte Landeskirche in Deutschland und umfasst drei Viertel Niedersachsens. Erweckung, Liberalismus und Orthodoxie konnten hier immer nebeneinander existieren, und so ist die hannoversche Kirchlichkeit oft als "mildes Luthertum" charakterisiert worden.

In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder zaghafte Versuche, die Kirchen zu vereinigen, doch sie verliefen allesamt im Sand. Stattdessen kamen sich die Kirchen in kleinen Schritten näher: 1955 regelten sie auf Initiative von Ministerpräsident Kopf im "Loccumer Vertrag" ihre rechtlichen und finanziellen Beziehung zum Land, und 1971 schlossen sie sich zur Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zusammen.

Eine einzige niedersächsische Kirche war vor 38 Jahren aus Sicht der kleineren Kirchen nicht vorstellbar. Auch heute gibt es Vorbehalte. Der Vertrag war aber von Anfang an auf ein mögliches Zusammenwachsen zu einer Kirche angelegt.

epd-lnb mig mir/mil/6.5.2009

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