Startseite Archiv Bericht vom 20. Juni 2003

Diakoniebericht: Armut nimmt zu

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Angesichts der Ankündigungen der niedersächsischen Landesregierung zu Kürzungen im Sozialbereich, insbesondere in der Behindertenhilfe und Suchtberatung, hat Diakonie-Direktor Henning Brandes betont, sich nicht aus Arbeitsfeldern zurückziehen zu wollen. Beim Tätigkeitsbericht vor der hannoverschen Landessynode sagte der Leiter des Diakonischen Werkes der Landeskirche in seinem Bericht: „Diakonie gibt sich nicht selbst den Auftrag.“ Diakonie sei gelebter Glaube und kein Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen. „Die Frage ist nicht, muss Diakonie alles machen, sondern bekommt die Diakonie die Unterstützung, mit der sie ihren umfassenden Auftrag erfüllen kann.“

Brandes wies vor den Synodalen darauf hin, dass die Armut in Niedersachsen zunehme. Immer mehr Rat suchende Menschen wendeten sich an eine der 283 Beratungsstellen der Diakonie. Besonders durch die prekäre Arbeitsmarktsituation kämen viele Menschen in finanzielle Notlagen. Betroffen seien besonders Alleinerziehende. Eine steigende Nachfrage verzeichneten die 40 Schuldnerberatungsstellen. Für ein Beratungsgespräch gebe es Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr. Außerdem könne in den 43 Behandlungsstellen für Suchtkranke festgestellt werden, dass häufig Arbeitslosigkeit und Überschuldung der Einstieg in eine Suchtkarriere sei. Eine wichtige Aufgabe leisteten zudem die 45 Migrationsdienste, die in materielle und psychische Not geratenen Ausländern, Aussiedlern und Flüchtlingen Hilfe anbietet.

Brandes berichtete darüber hinaus über die Krise in der ambulanten Pflege: 80 Prozent der 126 Diakoniestationen in Niedersachsen schlössen mit einem Defizit ab. „Dies kann nicht dem schlechten Management angelastet werden, es liegen Fehler im System vor,“ so Brandes. „Die Pflegeversicherung hat ihr wichtigstes Ziel verfehlt, nämlich Pflegebedürftige von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Ihre Leistungen sind seit Beginn unverändert, die Aufwendungen für Personal- und Sachkosten aber kontinuierlich gestiegen. Die Versuche, die Kostenschere zu schließen, haben zu einer Verkürzung der Pflegezeiten geführt, die mit dem christlichen Menschenbild nicht mehr zu vereinbaren ist. Statt mehr Geld auszugeben, hat die Politik Qualitätssicherungsgesetze erlassen, die sie von der Verantwortung für eine menschenwürdige Pflege freistellen und den ‚Schwarzen Peter’ den Einrichtungen zuschieben.“ Unter dem Titel „Und wer pflegt uns morgen?“ kündigte Brandes eine Kampagne zum Thema an, die die Konföderation der Evangelischen Kirchen in Niedersachsen mit ihren Diakonischen Werken plant. Er wies darauf hin, dass die 20% der Diakoniestationen, die mit einem positiven Ergebnis abschlössen, gut in die örtlichen Kirchengemeinden eingebunden seien.

Außerdem seien einzelne diakonische Einrichtungen im Gespräch, um sich in einer Holding zusammen zu schließen. Ziel sei es, Synergien zu nutzen. Das Modell einer Holding könne man auch auf die „notleidende Patientin“ ambulante Pflege anwenden und sie mit stationären Altenhilfeeinrichtungen verknüpfen.

Zudem kündigte Brandes die Gründung der „Hospiz-Stiftung Niedersachsen. Eine Initiative der Kirchen“ an, die die Aufgaben der Hospizarbeit verzahnen und ergänzen soll. Trägerinnen werden die in der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen verbundenen Kirche sowie die römisch-katholischen Diözesen Hildesheim und Osnabrück und der Offizialat Vechta sein. Das Diakonische Werk sei bereit, zunächst für die Dauer von vier Jahren die Geschäftsführung zu übernehmen.

Generell schlug Brandes vor, die Zusammenarbeit von diakonischen Einrichtungen und Kirchengemeinden zu verstärken – ein Appell, der von mehreren Synodalinnen und Synodalen in ihren Stellungnahmen unterstützt wurde.

Der Präsident des Landeskirchenamts Eckhart von Vietinghoff wies kritisch auf die geringe Bekanntheit der „Marke ‚Diakonie‘“ hin und regte an, dass jede diakonische Einrichtung im Bereich der Landeskirche in ihrem Namen den Begriff „Diakonie“ und das Signet des Kronenkreuzes führen solle.