Startseite Archiv Nachricht vom 22. November 2022

Hartes biblisches Wort – und doch auch Evangelium

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Traditionell beginnt die Synode der hannoverschen Landeskirche mit einem Gottesdienst im Henriettenstift in Hannover. So auch in diesem Jahr, endlich wieder in Präsenz. Die Predigt hielt Hans Christian Brandy, Regionalbischof in Stade. Eine nicht ganz leichte Aufgabe, ist der Predigttext zum 1. Advent aus der Offenbarung des Johannes doch ein „hartes biblisches Wort“, wie der Theologe betonte. Denn in Offenbarung 3, 14-22 findet sich eine scharfe Abrechnung mit christlicher Selbstgerechtigkeit und Selbstgewissheit.

Wortgetreu übersetzt aus dem griechischen Urtext begann Brandy seine Predigt mit den Worten: „Du bist zum Kotzen“. Denn so scharf geht der Verfasser der Offenbarung die christliche Gemeinde in der antiken Stadt Laodicea in Kleinasien an, da sie „weder kalt noch warm“, sondern „lau“ sei. Und damit zum Ausspeien.

„Was fangen wir heute mit diesen Worten an?“ fragte der leitende Theologe. „In einer Landeskirche, die für ihr ‚mildes Luthertum‘ bekannt ist?“ Gerhard Uhlhorn, Theologe und Abt von Loccum, hatte im 19. Jahrhundert diesen Begriff des „milden Luthertums“ geprägt, ergänzte ihn aber auch durch die Kennzeichen von „bestimmt und klar“. Das sei ja doch etwas anderes als lau, konstatierte Brandy.

Aber auch wenn die Landeskirche nicht lau sei, so stünde sie doch – wie die christlichen Kirchen in Deutschland insgesamt ­­– heute massiv auf dem Prüfstand. „Die Missbrauchsskandale sind schrecklich und Konfessionsunterschiede ändern daran gar nichts. Die Austritte sind auf Rekordniveau, der Mitgliederschwund auch.“ Es gebe einen rapiden Rückgang bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen und auch die Zahl der Theologiestudierenden sei im zweiten Jahr in Folge erschreckend niedrig.

Das Problem heutiger Gemeinden sei aber nicht die Selbstüberschätzung wie einst der Gemeindeglieder in Laodicea, so der Geistliche. Vielmehr sei es das „business as usual“ bei doch gleichzeitigen dramatischen Veränderungsprozessen. „Kann es sein, dass wir an unseren Kleidern ein bisschen herumzuppeln und ein paar Flecken entfernen, und wir merken gar nicht, dass wir für manche schlicht nackt sind?“, so seine provokative Frage. Niemand komme um diese Anfragen mehr herum, auch „wenn wir in unserem Apparat so weitermachen, als sei doch alles ziemlich in Ordnung“.

In all diesen „harten biblischen Worten“ der Offenbarung sei aber das Evangelium deutlich zu erkennen, so der Geistliche. Denn von Jesus Christus heiße es im Bibeltext: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Offenbarung 3,20) Mieser Zustand sei zwar nichts, auf dem sich auszuruhen sei, aber „mieser Zustand ist schon lange kein Grund, dass Christus nicht anklopft. Ganz im Gegenteil.“

Brandy schloss seine Predigt mit den Worten: „Christus steht vor der Tür und möchte herein. Und er klopft sogar. Wer klopft, der will nicht überrumpeln. Wer klopft, der will nicht beschämen und jemanden in ungünstiger Situation erwischen. Wer klopft, der bittet um Einlass. Christus bittet. Und wer klopft, wartet auf Antwort. Lasst uns diese Adventszeit aufs Neue als eine Zeit der Antwort nutzen. Und diese Tage der Synode auch.“

Den Eröffnungsgottesdienst gestaltete der Regionalbischof gemeinsam mit den Synodalen Alica Helms, Dr. Martin Krarup, Maike Selmayr, Ruth Scheffler-Hitzegrad und Anke Göbber aus dem Sprengel Stade.

Zukunftsprozess

Viel Hoffnung sei für ihn und auch viele andere mit dem Zukunftsprozess verbunden, bekannte Brandy. Die Landeskirche startete Anfang November eine Beteiligungsplattform, auf der Ideen und konkrete Pläne für die zukünftige Gestaltung der größten deutschen evangelischen Landeskirche gesammelt, ausgetauscht und diskutiert werden.

Für ihn, so der Theologe, stelle sich mit dem Zukunftsprozess die Frage: „Durch welche dieser Ideen, auf welche Weise klopft Christus hier an?“ Wenn es gelingen würde, „dass im Zukunftsprozess Christus anklopft und wir einige Punkte finden, wo wir neu ‚Herein‘ rufen und ihm Raum schaffen, dann ist viel gewonnen.“