Erstmals christlich-muslimische Bibelarbeit

Eine weiblich lesbare Person mit islamischem Kopftuch, eine weiblich lesbare Person mit Schal und eine männlich lesbare Person im Anzug sitzen nebeneinander
Bild: Jens Schulze

Hier finden Sie ein Interview zur Bibelarbeit und diese auch als pdf-Datei.

Mit der Juristin und Religionswissenschaftlerin Dr. Hamideh Mohagheghi hat erstmals eine Muslima die Bibelarbeit auf der Landessynode der hannoverschen Landeskirche gehalten. Mit dem landeskirchlichen Beauftragten für den interreligiösen Dialog, Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, legte Mohagheghi die Losung des Tages aus dem Buch Maleachi 3, Vers 20 („Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln.“) aus islamischer und christlicher Perspektive aus. 

„Es macht mich unbeschreiblich betroffen und wütend, wenn ich von Unzulänglichkeiten und Verfehlungen der religiösen Anführer höre“, sagte Mohagheghi. „Wenn sie selbstherrlich sich als Vorbilder verstehen, Menschen ermahnen und selbst ein Leben führen, das gegen Menschlichkeit und gegen Gott ist. Damit verschmähen sie die Lehre und den Glauben und predigen etwas, woran sie sich selbst nicht halten. Und noch schlimmer ist, dass sie dadurch die Menschen in ihrem Glauben verunsichern.“ Auch der Koran warne vor derartigen religiösen Würdenträgern.

Das Buch Maleachi könne, missbräuchlich interpretiert, eine Aufforderung zur Gewalt darstellen, stellte Reinbold fest. Der Theologe war zuvor bereits auf die „furchtbaren Ereignisse“ in Israel Anfang Oktober eingegangen: „Ich weiß aus den Nachrichten, dass diese Menschen der Meinung waren, dass sie in diesem Moment etwas Gutes taten. Etwas Gebotenes. Ja, dass sie Gottes Gebot erfüllten. Ein Gebot Gottes, der ihnen – so hatte man es Ihnen jahrelang beigebracht – gebietet, dass sie Menschen töten mussten. Unter allen Umständen. Und auf möglichst bestialische Weise.“

Hier finden Sie ein Interview zur Bibelarbeit und diese auch als pdf-Datei.

Verschiedenheit und Dialog

Mohagheghi und Reinbold betonten dagegen gemeinsam die Bedeutung von Toleranz und forderten gegenseitigen Respekt zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen. „Wir erkennen an, dass Verschiedenheit kostbar ist. Wir verzichten darauf, die harten Worte der Vergangenheit zu wiederholen. Wir verzichten darauf, die anderen zu bekämpfen und zu dämonisieren. Wir begegnen uns mit gegenseitigem Respekt. Und wir setzen uns ein für eine Rechtsordnung, in der die Freiheit und insbesondere die Religionsfreiheit geschützt wird“, so Reinbold. Als Maßstab zitierte er die Worte Jesu über die Liebe zu Gott und dem Nächsten.

Reinbold mahnte eine Dialogbereitschaft von Christinnen und Christen gegenüber Menschen anderen Glaubens an, insbesondere auch gegenüber Musliminnen und Muslimen. Jahrhundertelang habe hier eine Verteuflung des anderen vorherrscht, wie es heute noch in einigen evangelikalen Gruppen geschehe.

Forderung nach Verständigung

Mohagheghi analysierte das Maleachi-Buch als einen Dialog zwischen Gott und der damaligen Gemeinde, das Liebe, Entzug der Liebe, Tadel und Flüche beinhalte. Gott gebe den Menschen immer wieder geduldig die Chance zur Umkehr, zur Reue und Veränderung. Zugleich sprach sie aber auch vom Hass Gottes und die harte Bestrafung der Gottlosen im Text. 

„Voneinander lernen braucht wahrhaftige Offenheit mit Empathie, Neugier und Bereitschaft, sich auf das Neue einzulassen und davon überzeugt zu sein, dass die Begegnung mit anderen den eigenen Horizont erweitert“, sagte Mohagheghi. „Und wir haben viel Aufräumarbeit vor uns.“ Die Theologin rief zu einem Dialog auf und forderte dazu auf, gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten: „Interreligiöser theologischer Diskurs kann für die Bildungsarbeit solide Fundamente schaffen und uns ermöglichen, aus dem Glauben heraus für das Miteinander zu argumentieren. Nur gemeinsam können wir gesellschaftliche Veränderungen erreichen.“