Startseite Archiv Bericht vom 25. November 2015

Die 1. Jugendsynode

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Die Andacht zu Beginn der Jugendsynode gestalteten zehn Jugenddeligierte aus dem Sprengel Ostfriesland-Ems gemeinsam mit Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr. Die Jugendlichen griffen das Thema der Synode „Ehrenamt“ auf und machten in ihren Statements deutlich, warum sie sich in der Kirche engagieren.

In der Auslegung der Andacht brachten sie Aspekte des Ehrenamtes zum Ausdruck. Dabei ging es unter anderem um die Zusammenarbeit von Ehren- und Hauptamtlichen und Wertschätzung im Ehrenamt. Mit einer Kuchenbackaktion machten sie deutlich, wie wichtig es ist, dass jeder seine Gaben zum Gelingen der Gemeinschaft beiträgt.

Um die Mitglieder der Landessynode und die Jugendsynodalen auf die späteren Workshops einzustimmen und um ihnen Fakten und Daten an die Hand zu geben für ihre Diskussionen, war Frau Dr. Hilke Rebenstorf vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland im Anschluß zu einem Input eingeladen. Als Sozialwissenschaftlerin mit breiter akademischer und internationaler Erfahrung führte Frau Dr. Rebenstorf basierend auf Forschungsergebnissen der SHELL-Jugendstudien und auf eigenen Umfragen und Studien des Sozialwissenschaftliches Instituts der EKD aktuelle Trends und Haltungen im gesellschaftlichen und kirchlichen Engagement Jugendlicher aus und leitete Thesen für kirchliches Handeln ab.

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Bild: Jens Schulze 

Der Satz, dass Kirche vom Ehrenamt lebe, sei oft einfach hingesagt, so die Sozialwissenschaftlerin. Versuche man aber dem Phänomen von Kirche und Ehrenamt auf die Spur zu kommen und dabei den Aspekt verschiedener Generationen zu berücksichtigen, werde es schwieriger. Deswegen sei es notwendig, über verschiedene Ansätze und empirische Forschungen zu plausiblen Schlussfolgerungen zu kommen.

Daten aus der kirchlichen Statistik und aus innerkirchlichen Umfragen untermauerten die Aussage „Kirche lebt vom Ehrenamt“. Auf jede hauptamtliche Arbeitskraft in der Kirche kommen nach Angabe der EKD rund fünf Ehrenamtliche. In Zukunft werde die ehrenamtliche Mitarbeit sogar noch wichtiger werden, sagte Rebenstorf. Doch bei einem genaueren Blick sei festzustellen, „dass die aktuell positive Situation des Ehrenamts in der Kirche nicht ohne weiteres in die Zukunft extrapoliert werden kann“. Genau deswegen sei es notwendig zu untersuchen, was Ehrenamtliche in der Kirche motiviere und vor allem, was junge Menschen dazu bringe, sich für und in Kirche einzusetzen. 

Die statistischen Daten zeigen: Während von 1997 zu 2013 die Anzahl der Kirchenmitglieder sank, nahm die Anzahl der ehrenamtlich Engagierten zu. In der Zunahme des ehrenamtlichen Engagements übertrifft die hannoversche Landeskirche deutlich den EKD-Trend. In der EKD betrug die Zunahmequote 26% in der hannoverschen Landeskirche 39%. Weiterhin ist zu beachten, dass sich die Ehrenamtlichen vielerorts mehrfach engagieren, d.h. Ehrenamtliche übernehmen nicht nur ein Amt, sondern mehrere Aufgaben. Nach den Erhebungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD haben Ehrenamtliche durchschnittlich 4,3 Ämter in einer Kirchengemeinde inne. Bei einer Aufschlüsselung in Altersabschnitte wird allerdings klar, dass sich nicht alle Altersgruppen gleichmäßig in allen Aufgabenbereichen engagieren. 

„Jugendliche sind überdurchschnittlich in der Vorbereitung und Beteiligung an Gottesdiensten beteiligt“, so Frau Dr. Rebenstorf, „ihr Hauptätigkeitsfeld ist aber eindeutig die kirchliche Jugendarbeit“. Beim Blick auf die kirchliche Jugendarbeit falle zudem auf, dass kirchliche Jugendarbeit weniger ihren Schwerpunkt auf der Gemeindeebene als auf der Ebene der Kirchenkreise und Landeskirche habe, so die Sozialwissenschaftlerin weiter. 

Der Gesamteindruck ehrenamtlichen Engagements sei positiv, weitere Perspektiven eröffneten sich für die Landeskirche Hannovers durch die Heranziehung des Freiwilligensurveys für Niedersachsen. Dieser zeige, dass sich das ehrenamtliche Engagement unterteile nach Erwerbsstatus, Geschlecht und Familienstand und nach Alter. Vollerwerbstätige seien stärker ehrenamtlich engagiert als Arbeitslose. Bei den Jugendlichen seien es vor allem diejenigen in Berufsausbildung, die sich weniger stark ehrenamtlich einbrächten. Verdeutlicht würden die Unterschiede im jugendlichen ehrenamtlichen Engagement auch noch einmal durch die SHELL-Jugendstudien.

Seit über 60 Jahren gibt es die SHELL-Jugendstudien, die das Lebensgefühl und die Werteorientierungen der jungen Menschen in Deutschland erfragen. Für die Jugendgenerationen des 21. Jahrhunderts beschreiben diese solide und wissenschaftlich fundiert durchgeführten Untersuchungen die jungen Menschen als Mitglieder einer „pragmatischen Generation“. Der Aspekt eines Pragmatismus der Jüngeren zieht sich durch die Ergebnisse der SHELL-Jugendstudien von 2002, über 2006, 2010 bis zur aktuellen Jugendstudie 2015. Während die Jugend 2002 „Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus“ gesehen wird, gilt für 2015 „eine pragmatische Generation im Aufbruch“. Im Jahr 2015 sind 72% der Jugendlichen „für soziale und politische Zwecke oder ganz einfach für andere Menschen aktiv“. Dabei lasse sich beobachten, dass das gesellschaftliche Engagement der Jugendlichen unter 26 Jahren abnehme, so Frau Dr. Rebenstorf in ihrer Analyse der Ergebnisse der Jugendstudie. Hier gelte es für Gesellschaft wie für Kirche nach den Ursachen zu fragen. Es gelte zu untersuchen, welche Erwartungen ehrenamtlich Tätige jüngere und ältere Menschen an ihr Ehrenamt haben. 

Die ehrenamtliche Tätigkeit solle Spaß machen, das sei eine Erwartung, die sich durch alle Generationen hindurchziehe, ebenso wie die, dass man anderen Menschen helfen wolle, so stellte Frau Dr. Hilke Rebenstorf aus dem Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD fest. Doch auch das Teilen eigener Kenntnisse und Erfahrungen und die Möglichkeit zur Mitbestimmung seien sehr wichtig. 

Von den Erwartungen abzuleiten seien dann die Anforderungen an die Ausgestaltung des Ehrenamts. Vor allem hier werde deutlich, dass es Verbesserungspotentiale gäbe. Beispielsweise gab nur die Hälfte der Ehrenamtlichen, die bei der Organisation von Festen und Basaren in der Kirchengemeinde helfen, bei Befragungen an, dass sie ausreichend Möglichkeiten der Mitsprache in der Kirchengemeinde hätten. Für 40% der ehrenamtlich Mitarbeitenden in Veranstaltungen und Projekten der Kirchengemeinde reiche die Möglichkeit zur Mitsprache nicht aus. Auch für Bereich die Kirchenmusik werde eine Möglichkeit zur Mitsprache stark vermisst.
Unterstützung für das Ehrenamt werde angeboten, doch zeigten sich deutliche Diskrepanzen zwischen den Angeboten und den Wünschen und Erwartungen der Ehrenamtlichen. Während die Erwartung eines hauptamtlichen Ansprechpartners zu größten Teilen erfüllt werde, bestünden größere Defizite in der Weitergabe von Informationen. Ebenso würden Möglichkeiten zur Fortbildung und Schulung oder zur religiösen und spirituellen Stärkung von den Ehrenamtlichen vermisst. Vor allem für sehr junge, ehrenamtlich Engagierte werde die Bedeutung eines Zertifikates über die ehrenamtliche Tätigkeit immer wichtiger, ausgestellt werde ein solches aber in den allerseltensten Fällen. 

Aus dem Datenmaterial und ihren Überlegungen leitete Frau Dr. Hilke Rebenstorf dann drei abschließende Thesen ab, die sie den Jugendsynodalen und Mitgliedern der Landessynode mit auf den Weg gab: 

  • Ehrenamtliche sind keine Hilfsarbeiter_innen!“ - Das zeige auch die Tatsache, dass sich das Ehrenamt erkennbar professionalisiere. Erforderlich und zunehmend wichtig seien Schulungen, Coaching und Supervision.
  • „Anerkennung ist mehr als eine Feierstunde“ - Anerkennung müsse sich im alltäglichen Umgang ausdrücken. Dazu gehörten ein guter Informationsfluss, die Zugänglichkeit zu Materialen und Räumen, aber auch Fortbildungen und Schulungen. Sehr wichtig seien Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Zumindest ein Recht auf Anhörung gelte es zu realisieren. Auch sollten Zertifizierungen ehrenamtlichen Engagements weiter bedacht werden.
  • „Die Kirchenmitglieder gehören nicht der Kirche“ - Da die Kirche vom Ehrenamt lebe, müsse sie sich die zwei oben angeführten Thesen zu Herzen nehmen, denn es gebe um Ehrenamtliche bereits jetzt schon Konkurrenz, erschwerend komme hinzu, dass Kirchenmitglieder oftmals stärker außerhalb als innerhalb der Kirche engagiert seien.