Bischofsbericht II
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„Wir sind Wesen, die sich ihres Grundes ständig vergewissern wollen. Warum bin ich und warum gerade ich? Die unerträglich großen Fragen ertragen zu müssen, macht uns zu trostbedürftigen Wesen,“ sagte der Landesbischof in seinem Bericht vor der im hannoverschen Henriettenstift tagenden Landessynode. Urangst aller Menschen sei die Angst vor dem Tod. „Die Gewissheit des Todes begleitet das Leben von Anfang an und löst eine bleibende Grundangst vor dem Erlöschen im Nichts aus.“
Diese Angst könne „heimatlos“ machen. „In dieser Heimatlosigkeit ist die Bibel das große Trostbuch der Christenheit.“ Die Bibel könne trösten, so der Bischof, „weil sie die Angst kennt.“ Die Angst beginne mit der Scham von Eva und Adam am Beginn der Schöpfungsgeschichte als „nackt“ empfunden zu werden. Ein angstfreier Zustand finde sich in der Bibel erst wieder am Ende in der Offenbarung des Johannes, wenn es heißt, das „Erste ist vergangen“, Gott schaffe eine neue Welt ohne Leid, Geschrei und Schmerz. „Zwischen diesen beiden Sätzen, der ersten Furcht Adams und der Verheißung vom Ende aller Angst, spielt sich unsere persönliche Geschichte wie die Geschichte des Menschengeschlechts ab. Die Bibel ist voll von diesem Dazwischen.“
Meister verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Jesus selber nach dem biblischen Zeugnis Angst hatte. „Anders wäre er kein Mensch.“
„Angst ist immer persönlich, aber sie wirkt auch sozial.“ Diesen Effekt erlebten wir zurzeit: „Die Angst vor Terroranschlägen und die Angst vor sozialen Verunsicherungen durch eine unbegrenzte Einwanderung.“ Gegen die Angst habe Martin Luther die Konzentration auf Gottes Willen und seine schützende Macht über allem Leid und jeder Angst sowie die stärkende Gemeinschaft der Glaubenden ins Feld geführt.
Heutige Menschen verunsichere die „Angst vor der Sinnlosigkeit und Leere selbst.“ Mit einem Zitat des Soziologen Heinz Bude führte er aus: „Die Angst kommt daher, dass alles offen, aber nichts ohne Bedeutung ist. Man glaubt in jedem Moment mit seinem ganzen Leben zur Disposition zu stehen. Man kann Umwege machen, Pausen einlegen und Schwerpunkte verschieben; aber das muss einen Sinn machen und zur Vervollkommnung des Lebenszwecks beitragen. Die Angst, einfach so dahinzuleben, ist schwer ertragbar. Angststress ist Sinnstress, von dem einen kein Staat und keine Gesellschaft erlösen kann.“
Protestantische Theologie habe über die Jahrhunderte hinweg dieser Sinnlosigkeit Begriffe wie „Trotz“ und „Mut“ entgegengesetzt. „Die Antwort auf Angst wird niemals die vollständige Aufhebung der Angst sein, sondern ein konstruktiver Umgang mit ihr.“ Daher, so Meister, schulde die Kirche der Gesellschaft in Zeiten der Angst einen überzeugenden Mut des Glaubens. „Wir trotzen in Gott der Sinnlosigkeit einen Sinn ab.“ Es gehe also um die theologische Gestaltung der Angst. „Eine Courage, die in der Angst vor dem Nicht-Sein das Unmögliche zur Sprache bringt. Ein Mut, der Gott in seinem eigenen Leben aufruft als Widerspruch gegen alle Sinnlosigkeiten. Eine Kirche, die sich in ihrer Verkündigung und ihrer Weltverantwortung zu Gott hält, kann, auch im Dienst an der Gesellschaft, einen Sinn vermitteln, der Zweifel und Sinnlosigkeit in sich aufnimmt.“
Bild: Jens Schulze