Startseite Archiv Bericht vom 21. Februar 2002

Rückschau des LSA-Vorsitzenden Rudolf Bembenneck

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Am Donnerstagmorgen hat Rudolf Bembenneck letztmalig den Bericht des Landessynodalausschusses (LSA) vor der Synode abgegeben. Nach den Neuwahlen scheidet Bembenneck aus der Synode aus, der er 75 mal als Vorsitzender des LSA Rede und Antwort gestanden hat.
Das Synodenmagazin sprach mit Rudolf Bembenneck und bat ihn um eine persönliche Rückschau.

Bild: Rudolf Bembenneck

Herr Bembenneck, seit 25 Jahren sind Sie Mitglied der Landessynode. Bei der Novembertagung im letzten Jahr hat Sie der DIALOG nach dem Sie prägendsten Ereignis gefragt ...

Ich wollte mich nicht auf ein einziges festlegen. Schon damals habe ich drei genannt: Die Wahl von Frau Dr. Käßmann zur Landesbischöfin, die Debatte um Homosexualität und Lebensführung kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Beschluss zum Verhältnis von Juden und Christen 1995.
Bei der Wahl ins bischöfliche Amt waren die Gesichtspunkte Kompetenz und Innovation ausschlaggebend. Aber es war der Gruppe der GOK in der Synode auch wichtig, dass eine Frau zur Kandidatur stand.

Bei der Frage, ob gleichgeschlechtlich Liebende als Pastorinnen und Pastoren, als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unserer Kirche beschäftigt werden sollen, ging es sicher um Freiraum für ausgegrenzte Menschen. Auch darum, wie wir in der Kirche miteinander leben und arbeiten können, wenn wir in dieser Frage keinen Konsens finden.

Bei der Frage des Verhältnisses von Juden und Christen stand für mich das Problem im Hintergrund, wie wir Christinnen und Christen unsere Identität finden und beschreiben können, ohne Juden und Jüdinnen abzuwerten, zu diskriminieren oder gar ihnen die Erwählung Gottes streitig zu machen.
Dem DIALOG habe ich zwischen Tür und Angel geantwortet. Beim späteren Nachdenken ist mir aufgefallen, dass die drei von mir genannten Beispiele ein roter Faden durchzieht:
Dass Frauen Menschen von gleichem Rang und gleicher Würde sind wie Männer, dass gleichgeschlechtlich Liebende ein Recht auf eine ihnen gemäße Lebensweise haben, dass Juden und Jüdinnen als Glieder des Volkes Israel die Treue Gottes gilt, das alles ist unter Berufung auf biblische Texte Jahrhunderte lang bestritten worden. Mit schrecklichen und verhängnisvollen Folgen.

Es geht bei allen drei Beispielen darum, ob und wie vom zentralen Gottes- und Menschenbild der Bibel her dem biblischen Glauben entsprechende Antworten gefunden werden können und müssen, auch wenn sie einzelnen biblischen Texten und Tendenzen widersprechen.
Es ist für mich eine tiefe Freude, das wir erste Schritte in die Richtung gewagt haben, die nach meiner Überzeugung beharrlich weiter verfolgt werden muss.

Und was war Ihre größte Enttäuschung?

Unsere Landeskirche hat viele junge gut ausgebildete, kompetente, motivierte und engagierte Theologinnen und Theologen nicht in den pfarramtlichen Dienst übernommen, nicht übernehmen können. Das bedrückt mich immer noch, weil ich an dieser Entscheidung stark mitgewirkt habe.

Können Sie beschreiben, wie und wo Sie sich in den Jahren als Vorsitzender des Landessynodalausschusses verändert haben?

Die Rolle des Vorsitzenden erfordert die Berücksichtigung aller Vereinigungen und Strömungen in der Synode. Ich sei sehr viel zurückhaltender und behutsamer geworden, sagen Beobachtende, im Vergleich zu der Zeit, in der ich Sprecher der GOK-Synodalgruppe war. Mir scheint, sie haben Recht.
Erkennbar hat sich meine Einschätzung verändert im Blick auf die Bedeutung finanzieller Rücklagen und den sachgemäßen Umgang mit ihnen. Herr Dr. Grüneklee hat mich nicht gerade in dieser Sache bekehrt, aber er hat weitgehenden Einfluss auf die Veränderung meiner Einstellung genommen.

Wollen Sie damit sagen, dass Sie Ihren eigenen Ideen und Idealen in der Zeit untreu geworden sind, in der Sie den Vorsitz im Landessynodalausschuss hatten?

Das ist nicht gerade eine freundliche Frage. Aber ich will Ihnen nicht ausweichen.

Zusammen mit Vielen in der GOK bin ich einmal mit dem Anspruch angetreten, der Sache der Kirche durch einen offenen und öffentlichen, direkten und fairen Streit über Aufgaben und Optionen der Kirche zu dienen. Ich halte es in vielerlei Hinsicht für richtig, dass ich als Vorsitzender im LSA viel stärker auf Konsens und Ausgleich gesetzt habe. Aber den ursprünglichen Ideen und Idealen, denen ich mich nach wie vor verpflichtet weiß, bin ich dabei in gewisser Weise wohl doch „untreu“ geworden.

Wenn Sie zurückblicken: Was ist zu kurz gekommen?

Die Synode im Allgemeinen, der LSA und erst Recht sein Vorsitzender oder seine Vorsitzende reagieren auf aktuelle Probleme und Herausforderungen. Es entwickelt sich unter der Hand eine „just in time – Mentalität“. Dabei ist die Arbeit an weitausgreifenden Konzeptionen und Strategien zu kurz gekommen.

Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Die Synode nimmt viel zu selten Themen auf, die im gesellschaftlich-öffentlichen Diskurs auf der Tagesordnung stehen. Dieser Mangel wird überdeckt durch die Berichte der Landesbischöfin, die treffsicher und pointiert Stellung bezieht. Hier ist meines Erachtens der Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit gefordert, um für Beschlüsse der Synode, für Impulse in die Gemeinden und Kirchenkreise hinein und öffentliche Äußerungen der Synode beschlussreife Vorlagen zu erarbeiten.
Alle Gemeinden, Kirchenkreise, Einrichtungen und Arbeitsgebiete werden durch die Reduzierung von Personalstellen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Diese Situation macht es zur dringlichen Aufgabe, nach sinnvollen Entlastungen zu suchen. Modelle von Kooperation und Arbeitsteilung sind bisher viel zu wenig erprobt oder zu wenig bekannt gemacht. Kooperation und Arbeitsteilung in Gemeinden, zwischen Gemeinden, in Regionen und Kirchenkreisen, aber auch zwischen den Mitarbeitenden unterschiedlicher beruflicher Qualifikationen sind erforderlich.

Dazu müssen Voraussetzungen geschaffen werden.

Ja, natürlich. Entscheidungsprozesse müssen durchschaubarer werden, Verantwortlichkeiten benannt und klar geregelt werden. Ein Verfahren zur Mitwirkung bei grundlegenden Entscheidungen der Landeskirche durch Kirchenkreise gibt es bisher nur bei der Einführung von Agenden, Katechismen und Gesangbüchern. Das ist zu wenig! Lust zur gemeinsamen Verantwortung wird erst wachsen, wenn Entscheidungsprozesse nachvollziehbarer und beeinflussbarer werden.
Und: Die 22. Landessynode hat beschlossen, dass zukünftig Wahl und zeitliche Begrenzung für das Amt der Superintendenten und Superintendentinnen gelten. Ich bin davon überzeugt, dass diese Regelung auch für Mitglieder des Bischofsrates und des Kollegs des Landeskirchenamtes eingeführt werden muss und wird.

Wie sehen Ihre anderen Wünsche aus?

Für die Synode wünsche ich mir, dass sie Sachentscheidungen auf Grund eines inhaltlich und theologisch qualifizierten Leitbildes trifft. Ich hoffe, die Synode macht sich an dessen Entwicklung.
Für unsere Kirche wünsche ich mir, dass die Freude und Begeisterung mit Blick auf die einzigartige, für die menschliche Existenz grundlegend wichtige Botschaft, die der Kirche anvertraut ist, Melancholie und Klage vertreibt.

Für mich persönlich, dass ich einmal in meinem Leben Israel besuchen und erleben kann. Doch, vielleicht noch wichtiger, dass Wege zum Frieden im Land der Bibel gefunden werden.

Herr Bembenneck, wir danken Ihnen für das Gespräch.