Diakonie: Armut muss im Blick bleiben
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Kirche wird in der breiten Öffentlichkeit vor allem auch durch ihr diakonisches Wirken wahrgenommen. Das Spektrum reicht von der Kindertagesstätte vor Ort über die Diakoniestation im Kirchenkreis bis zu den großen stationären Einrichtungen und Krankenhäusern. Es umfasst Familien- und Schuldnerberatung, Angebote der Jugendpflege und Jugendhilfe, Altenheime und Einrichtungen für Menschen mit erhöhtem Förderbedarf. Über all das legte Hans-Joachim Lenke in seinem Tätigkeitsbericht des Diakonischen Werkes evangelischer Kirchen in Niedersachsen (DWiN) als Vorstandssprecher vor der Landessynode Rechenschaft ab.
Der Vorstandssprecher ging dabei zu Beginn auf den Zusammenschluss der Diakonischen Werke ein, die sich im DWiN zusammengefunden haben. Dieses sei eine „Erfolgsgeschichte, sowohl im Blick auf die Arbeit in den vielen Einrichtungen als auch im Zusammengehen der Diakonischen Werke der Braunschweigischen und der Hannoverschen Landeskirche.“ Die Diakonischen Werke der Landeskirche Schaumburg-Lippe und der Evangelisch-reformierten Kirche sind in Form einer Doppelmitgliedschaft ebenfalls Mitglieder im DWiN. „Das gemeinsame Werk der Kirchen in Niedersachen hat sich bewährt“, so Lenke, „die Erwartungen, die mit der Gründung des DWiN verbunden waren, haben sich erfüllt.“
In Zeiten einer stetig zunehmenden Komplexität sei es gut, wenn sich Interessen bündeln lassen. Das führe auch zu einer Stärkung in Blick auf Marktanteile sowie gesellschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten. Genau darauf ziele auch die Mitarbeit des DWiN in der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen.
Es sei das Anliegen des gesamten Vorstands, Dienstleistungsorientierung voranzubringen. Dabei sei das Spektrum breit: Eine kleine Diakoniestation habe andere Anforderungen als ein großes Haus der DIAKOVERE. Entscheidend sei, dass es genug Expertise im Haus gebe.
Der Tätigkeitsbericht griff auch die Arbeit mit geflüchteten Menschen auf. „Wir sind sehr dankbar, dass sie als Synode schnell Gelder bewilligt haben für die Arbeit mit Geflüchteten." Zukünftig gehe es um die „Gestaltung von Integration“, wobei „Sprache und Arbeit“ die wichtigen Bausteine seien.
Kritik übte Hans-Joachim Lenke am schlechten Verhältnis zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern in Niedersachsen. Von der gesetzlich benannten „partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ seien wir „weit entfernt“. Über Jahre habe die Maxime gegolten, dass „wer es am billigsten kann, stilbildend ist für das komplette Marktsegment“. Das meinte, dass überall „das preiswerteste Heim als Vorbild“ galt. Das aber sei schwer verträglich mit den Tarifbindungen in den diakonischen Einrichtungen. Der Vorstandssprecher des DWiN richtete hier deutliche Erwartungen an Politik und Kostenträger.
„Wir reden gerade die Pflege öffentlich schlecht, das ist fatal“, so Lenke. Entscheidend sei, die Arbeit in Kranken- und Altenpflege so zu gestalten, dass es attraktiv sei, dort zu arbeiten und dazu gehöre auch eine Tarifanbindung. Auf Grundlage von Untersuchungen zu Wegelängen und Zeitanteilen in der Pflege forderten Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie eine deutliche Erhöhung der Erstattungsbeiträge von den Kostenträgern, so Lenke.
„Mir sagen unsere Mitarbeitenden, dass sie doch nicht in die Pflege gegangen seien, um in möglichst kurzer Zeit eine möglichst große Zahl von Patienten zu versorgen. Da muss auch noch Zeit für ein Gespräch sein. Oder für die Bitte des alten Menschen, beim Runtergehen doch den Hausmüll mitzunehmen“ machte Hans-Joachim Lenke deutlich.
Gleichzeitig reagiere das DWiN auf die Anforderung, modern und offen für die Digitalisierung zu sein. So sei es mittlerweile möglich, mit Hilfe des Smartphones, Arbeitsprozesse und Zeitanteile in der ambulanten Pflege zu koordinieren. Notwendig sei dafür aber ein wirklich gutes Management. Lenke zeigte sich auch offen für mögliche technische Hilfen bei Pflegetätigkeiten aus der Robotertechnik und verwies auf Beobachtungen in Japan, wo technische Hilfsmittel und der Einsatz von Robotern in der Kranken- und Altenpflege viel selbstverständlicher seien.
Mit Blick auf die gesellschaftliche Situation plädierte Hans-Joachim Lenke dafür, das Thema Armut nicht aus dem Blick zu verlieren. Trotz voller Kassen und Wirtschaftsblüte gäbe es einen „Sockel von Menschen, der nicht Anteil hat am wirtschaftlichen Erfolg“. Dass in Deutschland weiterhin die soziale Herkunft über die sozialen Chancen, die Schulbildung und den gesellschaftlichen Aufstieg entscheide, „ist beschämend“. „Wir brauchen mehr Familienzentren, wir brauchen gute Ganztagsschulen, in denen die Bildung im Vordergrund steht und nicht die Betreuung.“ Kirche und Diakonie müssten hier Stellung beziehen: „Wir brauchen einen Diskurs über die Verteilung von Reichtum in unserer Gesellschaft, auch um des gesellschaftlichen Zusammenhangs willen“.
In der Aussprache zum Tätigkeitsbericht stimmte Dr. Jens Rannenberg (Rotenburg), Vorsitzender des Diakonieausschusses, Hans-Joachim Lenke darin zu, dass die Frage der sozialen Gerechtigkeit grundlegend sei. Dem Auseinanderbrechen der Gesellschaft müsse entgegengearbeitet werden. Als größter Anbieter diakonischer Dienstleistungen im Bundesland habe das DWiN eine große Bedeutung. Die kommende 26. Landessynode solle Armut und Gerechtigkeit zu einem fundamentalen Thema machen. „Wenn wir uns des Themas nicht annehmen, wer denn sonst?“, fragte der Synodale.
Marie-Luise Brümmer (Stolzenau-Loccum) hob hervor, dass viele Menschen trotz Arbeit nicht in der Lage seien, ihre Mieten zu bezahlen. Es gelte daneben, auch das Thema Armut auf dem Land ins Auge zu nehmen.
Rolf Bade (Hannover) fragte nach der kirchlichen Bindung der Mitarbeitenden in den kirchlichen KiTas und wies auf die aktuellen Schwierigkeiten hin, Fachpersonal zu finden
Die Synodalen Scholz, Thiemann und der Jugenddelegierte Goldenstein wiesen auf die Gefahren hin, die entstünden, wenn Roboter und Automaten den Menschen in der Pflegetätigkeit ersetzten. Sei das nicht „der Weg hin zu einem Betrug am Patienten?“ fragte Thiemann (Lüchow).
Dr. Jörg Zimmermann (Celle) übte Kritik an den Entwicklungen im Pflege- und Krankenhausbereich. Es sei falsch, dass der Weg immer mehr in die rein marktwirtschaftliche Richtung weise. Dieser Bereich sei doch ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, und sei es zu beobachten, dass große Gesundheitskonzerne die Gewinnmarge als Ziel hätten. Dadurch würden wichtige Aufgaben beispielsweise in der Versorgung des ländlichen Raums übersehen.
In seinem Schlusswort machte Hans-Joachim Lenke deutlich, dass die diakonischen Angebote für viele Menschen die „Kirche vor Ort“ meinten. Sie seien die „Hauptkontaktfläche zwischen Kirche und Gesellschaft“.
Im Anschluss überwies die Synode mit großer Mehrheit den Bericht zur federführenden Beratung an den Diakonieausschuss.