Startseite Archiv Bericht vom 27. November 2013

Im Zeichen der Treue Gottes

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Um die besondere Beziehung von Christen und Juden zum Ausdruck zu bringen, hat die Landessynode am Donnerstagvormittag einstimmig eine Änderung der Verfassung auf den Weg gebracht.

In Artikel 1 Absatz 2 der Kirchenverfassung wird ein Satz angefügt:

„Zeugnis, Mission und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.“

Der Artikel 4 wird um einen Absatz ergänzt:

„Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“

„Es geht um unsere eigene Identität als Christen, dass wir unsere Wurzeln kennen“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Theologie, Kirche und Mission, Gerd Bohlen. Um die Wortwahl sei im Einzelnen „intensivst gerungen“ worden. So betone die Formulierung „im Zeichen der Treue Gottes“ Gott als Subjekt der Treue gegenüber seinem Volk. Anstelle der Bezeichnung „Israel“ habe man sich für „das jüdische Volk“ entschieden, weil Israel vor allem mit dem heutigen Staat assoziiert werde. Der Begriff der Verbundenheit mit dem jüdischen Volk drücke Leidenschaft aus.

Die vorgeschlagene Formulierung im Blick auf „die schuldhaften Verfehlungen unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum“ wurde auf Antrag des Loccumer Abtes Horst Hirschler verstärkt. Die Verfassung spricht nun klar von „Schuld“. Die Landeskirche werde jeder Form von Judenfeindschaft entgegentreten, heißt es in den Erläuterungen des Ausschussberichts.

Die Achtung der Erwählung des jüdischen Volkes zum Zeugen Gottes beinhalte „den Verzicht der Landeskirche auf ein missionarisches Wirken unter Juden“. Die Schuld an Juden nötige die christlichen Kirchen zu Buße und Umkehr, die unter anderem durch die Förderung von Begegnungen mit Juden und Judentum Gestalt gewinnen sollte.

Landesbischof Ralf Meister, der die Verfassungsänderung im November 2011 angeregt hatte, sprach in der anschließenden Aussprache von einer „besonderen Stunde der Synodengeschichte“. Das christliche Zeugnis gegenüber Juden werde ein anderes sein angesichts des Bekenntnisses zur bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes. Aus der Verfassung ergebe sich nun ein klarer Auftrag, nämlich „aufzustehen gegen jede Form des Antisemitismus“.

Landesrabbiner Jonah Sievers brachte in einem Grußwort seine Freude über die Verfassungsänderung zum Ausdruck. Der theologisch begründete Verzicht auf die Judenmission gehe über die Verfassungsformulierungen anderer Kirchen in Deutschland hinaus. Die jüdischen Gemeinden würden sich dem Dialog mit Christen nicht verschließen, versprach der Landesrabbiner.

Der Vorsitzende des Landessynodalausschusses Jörn Surborg erinnerte an die Vorgeschichte der jetzigen Verfassungsänderung in Debatten seit den 1990er Jahren. Die 21. Landessynode etwa hatte 1995 eine Stellungnahme „Kirche und Juden“ erarbeitet. Der vorliegende Textvorschlag wurde von einer im Herbst 2012 durch den Kirchensenat eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitet.

Um das Anliegen ins Bewusstsein der ganzen Landeskirche zu bringen, sollen u.a. Interpretations- und Arbeitshilfen erscheinen. Auch Maßnahmen zur Versöhnungsarbeit sind geplant. Für entsprechende Projekte, auch mit Schülern, sollen in den nächsten drei Jahren Mittel in Höhe von jährlich 25.000 Euro bereit gestellt werden.

Die 24. Landessynode hat die Verfassungsänderung am Freitag, 29. November in zweiter Lesung einstimmig angenommen und verabschiedet.

Die 24. Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers hat während ihrer XIII. Tagung am Freitag, dem 29. November 2013, eine Änderung der Kirchenverfassung zum Verhältnis von Christen und Juden beschlossen. In Artikel 1 Absatz 2 der Verfassung wird der Satz „Zeugnis, Mission und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.“ angefügt. Und der Artikel 4 wird um einen Absatz ergänzt: „Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“

Superintendent Gerd Bohlen, der Vorsitzende des Ausschusses für Theologie, Kirche und Mission, sagte bei der Vorstellung der Verfassungsänderung vor der Landessynode: "Angestoßen von Landesbischof Meister hat sich die 24. Landessynode zum Ziel gesetzt, unsere Kirchenverfassung um einen Passus zum Verhältnis von Kirche und Judentum zu erweitern. Denn es ist zwingend und dringend erforderlich, dass wir unsere Wurzel kennen und unser eigenes Selbstverständnis von daher profilieren. Und weil 75 Jahre nach der Reichspogromnacht eine theologische Bestimmung des Verhältnisses fällig ist und eine Verankerung in der Verfassung geboten erscheinen lässt.

Die Verfassungsänderung beinhaltet auch eine Verpflichtung, dass sich die Landeskirche auf allen Ebenen und in der Fläche mit dem Thema auseinandersetzt und die Begegnung mit Juden und Judentum fördert. Das ist zum einen eine theologische Verantwortung. Die besondere Geschichte, die der eine Gott mit seinem Volk und mit der Kirche Jesu Christi hat, sollte jedem Christenmenschen bewusst sein. Zum anderen ist das eine historische Verantwortung, die uns gerade auf dem Hintergrund unserer Schuld gegenüber Juden und Judentum in besonderer Weise in Pflicht nimmt."

Landesbischof Ralf Meister sagte: "Diese Verfassungsänderung ist eine besondere Stunde der Synodengeschichte. Aus diesem Bekenntnis zur bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes ergibt sich nun der klare Auftrag, gegen jede Form des Antisemitismus und Antijudaismus in unserer Gesellschaft aufzustehen und konkret zu handeln."

Hannover, 29. November 2013

Pressestelle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Pastor Dr. Johannes Neukirch, Pressesprecher
 
 

Die Vorsitzende von Begegnung-Christen und Juden. Niedersachsen e.V. Pastorin Karin Haufler-Musiol begrüßt, dass die Einsichten der Synodalerklärung zum Verhältnis von Kirche und Judentum (1995) jetzt auch ihren Ort in der Verfassung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers gefunden haben.

Zu diesen Einsichten zähle die „bleibende Erwählung“ Israels, also die Zurückweisung der Vorstellung, dass der Bund Gottes mit seinem Volk durch die Ankunft Jesu Christi an sein Ende gekommen sei. Aus dieser Denkfigur folge Respekt für die Aufgabe Israels, auf eigene Weise Zeugnis von Gott abzulegen. Dies bringe der Verfassungseinschub deutlich zum Ausdruck und damit werde „jeglicher Form von Mission unter Juden“ eine Absage erteilt“, so die Vorsitzende.

„Besonders freut mich“, so Karin Haufler-Musiol, „dass die Landeskirche ausdrücklich die Begegnung mit Juden und Judentum“ fördern wird. Martin Buber schrieb: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Aus einem Buch kann man nicht erfahren, was es heißt den Schabat zu feiern.“ Deshalb heißen wir Begegnung- Christen und Juden. Dieser Name ist unser Programm.“

Bleibend wichtig, so die Vorsitzende, sei die Auseinandersetzung mit dem Antijudaismus der christlichen Tradition, wie etwa den judenfeindlichen Aussagen Martin Luthers. So habe zwar in den vergangenen Jahrzehnten eine intensive Auseinandersetzung mit der Judenfeindschaft Martin Luthers stattgefunden. Bisher gäbe es jedoch noch keine Erklärung einer deutschen Landeskirche der EKD oder der VELKD zu dieser Frage. Im Hinblick auf die Reformationsdekade bestehe hier Handlungsbedarf.

Eine aktuelle Herausforderung stelle die Bekämpfung von Antisemitismus dar, so Karin Haufler-Musiol. Die vor zwei Jahren im Auftrag der Bundesregierung erschiene Studie Antisemitismus in Deutschland macht deutlich, dass 20% der Bevölkerung antisemitische Vorstellungen haben. Unter Kirchenmitgliedern ist der Anteil leicht höher als unter Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Diese Zahlen werden durch den Bericht der EU Grundrechte Kommission, der vor kurzem erschien, bestätigt. „In der aktiven Bekämpfung von Antisemitismus sehen wir eine aktuelle Herausforderung unserer Kirche.“

„Die aktive Gestaltung des Verhältnisses zu Juden und Judentum ist eine Aufgabe, die sich nicht abschließen lässt, sondern in jeder Generation neu gelebt werden muss. Das Verhältnis von Kirche und Judentum gehört wie der Herzschlag zum Leben der Kirche.“

Der Verein Begegnung-Christen und Juden. Niedersachsen e.V. wurde 1982 gegründet. Bildungsarbeit durch Seminare und Exkursionen, Vermittlung von Referent_innen und Ausstellungen gehört zu seinen zentralen Aufgaben. Der Verein wirkt niedersachsenweit und hat 202 Mitglieder.

Hannover, 28. November 2013 

Prof. Dr. Ursula Rudnick