Startseite Archiv Bericht vom 04. Mai 2017

Planungsprozesse 2017-2022: "Kirche steht vor grundlegenden Veränderungen"

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„Ein buntes Bild ist entstanden in den Rückmeldungen zum abgelaufenen Planungsprozess“, so Oberlandeskirchenrat  in Dr. Rainer Mainusch in seiner Einbringungsrede vor der hannoverschen Landessynode zum Planungsprozess 2017 bis 2022. „Ein buntes Bild, so bunt wie die 48 Kirchenkreise der Landeskirche.“

Drei Grundfarben seien dabei zu erkennen: Das bisherige Instrumentarium der Planungen habe sich etabliert, auch wenn die Nutzung vor Ort sehr unterschiedlich sei. Deshalb habe nun ein Verbesserungsprozess begonnen, sodass jetzt weitreichende Vorschläge zur Konzentration der Planungen im nächsten Zeitraum erfolgen.

„Woran erinnert das Gesamtbild?“, fragte der leitende Kirchenjurist, um sogleich eine Antwort zu geben: „ Mich erinnert das Bild an eine bunte Kaffeegartengesellschaft vor einem heranziehenden Sommergewitter.“ Allerdings präzisierte  er das Bild sogleich: Die Landeskirche stehe nicht nur vor einem Sommergewitter, sondern vor einem Klimawandel. Grundlegende  Veränderungen  wie die fortschreitende Säkularisierung und Pluralisierung der  Gesellschaft seien dafür verantwortlich. 

„Es geht nun nicht mehr um weniger,  sondern es muss jetzt ganz anders sein. Denn in Zukunft wird es um eine andere Gestalt von Kirche gehen.“

Mit den Mitteln des Finanzausgleiches wolle die Landeskirche Freiräume vor Ort eröffnen. „Es geht um den Einfallsreichtum vor Ort und dort um mehr Gestaltungsfreiraum. Was wir nicht wollen ist eine Flucht in landeskirchlichen Zentralismus.“ Daher seien inhaltliche Anstöße der Landeskirche wichtig, aber die Umsetzung müsse dann in den Kirchenkreisen erfolgen.

Laut Aktenstück 23 B sind aktuell in Niedersachsen noch 45% der Bevölkerung Mitglied der evangelischen Kirche. Im Jahr 2006 waren es noch 53%. Die stabilen volkskirchlichen Verhältnisse der Vergangenheit seien so nicht mehr gegeben und  die hannoversche Landeskirche stelle sich in ihrem nächsten Planungszeitraum darauf ein.

Die Entwicklung der Mitgliederzahlen ist dabei höchst unterschiedlich. Den höchsten Rückgang an Mitgliedern im Vergleich zu 2015 hat der Kirchenkreis Bremerhaven zu verzeichnen mit 8,38%; den geringsten der Kirchenkreis Rhauderfehn mit 2,13%. Auffällig ist auch die Entwicklung der Mitgliederzahlen in den Großstädten Hannover, Bremerhaven und Osnabrück: Proportional zur Einwohnerzahl ist der Mitgliederschwund besonders auffällig.

Im Bereich der Personalplanungen soll es bis 2022 nach Berufsgruppen unterschieden jeweils eine Mindestanzahl von Stellen geben: Für die Pfarrstellen gilt nicht weniger  1.154, für die Diakoninnen und Diakone nicht weniger als 360 Stellen, hauptberufliche Kirchenmusikerstellen sollen es nicht weniger als 100 geben.

Im letzten Planungszeitraum sind mehr als 9% an Diakonenstellen weggefallen, obwohl es laut Planungen nur höchsten 3% hätten sein sollen. Einer der Gründe für diese Entwicklung ist u.a., dass freie Stellen wegen Personalmangels nicht besetzt werden konnten. Hier ist im nächsten Planungsprozess deutlich gegenzusteuern.

Momentan entfallen im Durchschnitt auf eine Pfarrstelle 2.228 Mitglieder, Ende 2022 werden es entsprechend dem Durchschnitt der letzten vier Jahre 2.078 Kirchenmitglieder pro Pfarrstelle sein. Das Verhältnis von Pfarr- und Diakonenstellen liegt im Durchschnitt bei 3,39 : 1, wobei der Wert schwankt zwischen 1,42 : 1 im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven und 11,75 : 1 im Kirchenkreis Stolzenau-Loccum.

Im nächsten Planungszeitraum soll der Aufwand der Planung für die Kirchenkreise bei gleichzeitiger Konsolidierung der erreichten Prozess- und Ergebnisqualität reduziert werden, denn die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass sich der Umfang der Planungen deutlich erhöht hat, was für Kritik aus den Kirchenkreisen sorgte.

Zu den einzelnen Feldern kirchlichen Handelns sind unterschiedliche Entwicklungen und Herausforderungen zu erkennen:

Im Bereich der Gottesdienste wird mehr Vielfalt angestrebt, u.a. mit Zielgruppengottesdiensten.

Im ehrenamtlichen Verkündigungsdienst wächst weiterhin der Bedarf nach Lektoren/innen und Prädikanten/innen, was mittlerweile zu  Engpässen in der Aus- und Fortbildung geführt hat.

Der Kindergottesdienst ist vielfach ein „Sorgenkind“. Umso wichtiger ist die religiöse Früherziehung in kirchlichen Kindertagesstätten.

Für die Kirchenmusik gilt: Die Situation bei Organistinnen und Organisten ist besorgniserregend, da viele nebenamtliche Organisten/innen relativ alt sind, sodass in Kürze ein gravierender Mangel absehbar ist, denn es wird auf Grund fehlender Interessierte nicht genug Nachwuchs ausgebildet.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird auch in Zukunft nicht ohne hauptamtliches Personal auskommen, wobei die vorliegenden Konzepte viele Diskontinuitäten durch den Wegfall von Projektstellen erkennen lassen.

Im Bereich der Diakonie fallen Herausforderungen u.a. in folgenden Feldern auf: Die Zahl der Menschen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, ist unverändert hoch. Die Altersarmut wächst, die Ausweitung der Hospiz- und Palliativarbeit ist ein wichtiges Thema wie auch die Hilfen für Flüchtlinge.

Konsequenzen aus den Ergebnissen und Rückmeldungen werden u.a. in folgenden Bereichen formuliert: In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind verbindliche Qualitätsstandards für einen arbeitsfähigen Kirchenkreisjugenddienst nötig. Kirchengemeinden und –kreise sollten verstärkt ihre Kommunikationswege sowie die Formen und Strukturen der Öffentlichkeitsarbeit vergleichbar gestalten. Zudem ist eine wirkungsvolle Verwaltungsvereinfachung und Aufgabenkritik im Bereich der innerkirchlichen Verwaltung dringend erforderlich. Wichtigstes Ziel einer weiteren Fortentwicklung des Finanzausgleiches muss daher das Bemühen sein, den Planungsaufwand für die Kirchenkreise deutlich und nachhaltig zu verringern. Diesem Ziel dient auch, nach 2022 wieder zu vierjährigen Planungszeiträumen zurückzukehren.

Unter den sich veränderten Rahmenbedingungen von einer bislang soliden Volkskirche hin zu einer gänzlich anderen Gestalt von Kirche gilt es also, eine Perspektive zu entwickeln, in der theologische, strukturelle, finanzielle und personelle Überlegungen ineinandergreifen.

Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der erforderlichen Innovationen sind die Kompetenz, der Einfallsreichtum und die Hörbereitschaft aller in der Kirche Verantwortung Tragender. Die Kirchenkreise bleiben dabei aufgerufen,  ihre Gestaltungsmöglichkeiten wirklich zu nutzen.

"Gemeindeaufbau von unten"

In der Aussprache zum Bericht des Landeskirchenamtes über die Planungsprozesse 2017 bis 2022 hat der Synodale Bernd Rossi (Elze) eine deutlich verstärkte Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gefordert. “Wir brauchen einen Gemeindeaufbau von ganz unten”, sagte Rossi mit Blick auf die demographische Entwicklung. Seniorenbesuche hätten zweifellos ihre Berechtigung, “aber was ist mit Besuchen aller Getauften”, fragte Rossi. Wirklich neue Wege zu denken, “wie wir jungen Menschen eine Heimat geben können” sei für die Kirche existentiell.

Der Jugenddelegierte Jonas Jakob Drude (Göttingen) sprach sich für eine entsprechende Personalausstattung aus: “Wir brauchen feste und verlässliche Stellen für Diakone.” Dr. Jörg Zimmermann (Celle) setzte sich für eine gründliche Analyse der Erfahrungen ein; jetzt schon Entscheidungen zu treffen hielt er für verfrüht. Angesichts knapper werdender Ressourcen gehe es letztlich auch um eine Besinnung auf die “Kernaufgaben”, so Zimmermann.

Die diakonisch-gemeindepädagogische Arbeit sollte in den Standards als eigenes Handlungsfeld beschrieben werden, schlug Kerstin Dede (Hannover) vor. Dieses werde nämlich nicht nur von Diakoninnen und Diakonen beackert, machte die Beauftragte für diese Berufsgruppe deutlich. Vielmehr seien beispielsweise auch Kita-Mitarbeitende und Kirchenmusiker diakonisch-gemeindepädagogisch tätig.

Die gängige Praxis, die Personalausstattung der Gemeinden anhand von Gemeindemitgliederzahlen zu berechnen, stellte Dr. Uwe Brinkmann (Osterode) infrage: Die Arbeitszeit der Pastoren habe wenig mit der jeweiligen Gemeindegliederzahl zu tun. “Welche Alternativen gibt es”, fragte Brinkmann. Die Überlegung, den nächsten Planungszeitraum nach einer sechsjährigen Phase wieder auf vier Jahre zu begrenzen, bat Birgit Thiemann (Lüchow-Dannenberg) zunächst zurückzustellen.

Die sich aus dem LKA-Bericht ergebenden Fragen zu künftigen Schwerpunktsetzungen sollen in den Ausschüssen der Synode weiter diskutiert werden. Ob zur November-Tagung bereits Ergebnisse vorliegen, bezweifelte Jörn Surborg (Hildesheim). Der Vorsitzende des Landessynodalausschusses warb für die Berücksichtigung der mittleren Ebene: “Bei allen Diskussionen über die Zukunft der Kirche müssen wir die Kirchenkreise mitnehmen”, so Surborg.