Startseite Archiv Bericht vom 12. Mai 2011

Bericht zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung

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Bis zu 432.000 Tiere sollen täglich im geplanten Geflügel-Schlachthof in Wietze geschlachtet werden. Die Kirchengemeinde St. Michael in Wietze bat die Landessynode um eine generelle Stellungnahme zum Thema Nutztierhaltung, da viele Geflügelmastanlage im Umfeld dieses größten Schlachthofes in Niedersachsen zu erwarten seien. Die Notwendigkeit und die Auswirkungen der Anlage werden in der Gemeinde kontrovers diskutiert in der Spannung zwischen christlichem Lebensbild einerseits und zusätzlichen Arbeitsstellen und preiswertem Fleisch andererseits.

Dr. Bettina Siegmund aus Leer, Berichterstatterin für den Umwelt- und Bauausschusses der Landesynode, brachte nun das Aktenstück 86 zu diesem Thema ein, an dem auch der Ausschuss für Theologie, Kirche und Mission mitgewirkt hat.

Der Ausschuss bezweifelt, dass Großschlachtanlagen dem Tierwohl sowie den sozialen und unweltethischen Anforderungen gerecht werden können. Das Thema solle weiter diskutiert und das Aktenstück unter anderem Kirchengemeinden und Synoden, landwirtschaftlichen Verbänden und dem Landwirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt werden, so der Antrag. Das Aktenstück solle ein gewissenschärfendes, aber nicht bindendes Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung sein.

Bei ihrer Einbringung sagte Siegmund, dass es auch vergleichbare Konflikte in den anderen Gemeinden der Landeskirche gebe. Es gehe um eine Auslegung des biblischen Auftrages, „die Erde zu bebauen und zu bewahren“, so die Agraringenieurin. Hier gelte es, ein Gleichgewicht zwischen Bebauen und Bewahren zu finden, also Versorgung mit Nahrungsmitteln einerseits und dem Erhalt wirtschaftlicher Grundlagen andererseits.

Siegmund stellte fest, dass der Fleischverzehr in Deutschland in den letzten 60 Jahren sich auf jetzt 60 Kilogramm pro Person und Jahr verdoppelt habe. Für den Fleischbedarf Niedersachsens müsse Eiweiß in Form von Soja angebaut werden. Dazu werden 1,25 Millionen Hektar Fläche benötigt, vor allem in Lateinamerika. Das sei die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche Niedersachsens.
Der Stickstoffüberschuss in Regionen mit hohem Viehbesatz belaste auf Dauer Boden, Luft und Wasser. Die Welternährungsorganisation nenne die landwirtschaftliche Nutztierhaltung einen der wichtigsten Verursacher globaler Umweltprobleme.

„Was hat meine Brigitte-Diät mit der Existenz afrikanischer Kleinbauern zu tun?“ fragte Siegmund. Antwort: Hierzulande wolle man mageres Muskelfleisch, andere Geflügelteile würden in Westafrika „entsorgt“, also billig verkauft und verdrängen dort nahezu vollständig die heimische Produktion. „Ein Huhn macht noch kein Ökoproblem“, viele schon, so Siegmund. Durch den Preisverfall dominiert der Rationalisierungsdruck alle Entscheidungen. „Dem Erhalt seines Betriebes ist ein Landwirt verpflichtet“. Landwirtschaftliche Verbände müssten als Bringschuld ein Leitbild eines landwirtschaftlichen Unternehmens liefern, forderte Siegmund.

Immer weniger Verbraucher wissen, woher ihre Nahrungsmittel kommen und wie sie verarbeitet wurden. Der Wert eines Lebensmittels müsse wieder in den Vordergrund rücken und nachhaltiges Wirtschaften im Rahmen einer Verantwortungsethik entlohnt werden , so Siegmund.

„Eine Ethik der Selbstbegrenzung ist unumgänglich“. Menschen und Tiere haben vor Gott eine je eigene Würde. Nach Verlust des Paradieses brauche das Leben gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch gegenseitiges Gebrauchen und Verbrauchen. „Die Bibel stellt uns in die konstruktive Spannung zwischen der Vision zukünftig gelingenden Lebens und der Realität der gegenwärtigen Welt“.

„Sie finden in der Bibel keinen Befund, der das Töten von Tieren und das Essen von Fleisch als moralisch unvertretbar ausschließt“, so die Agraringenieurin weiter. Aber durch Tierhaltung dürfen Ressourcen nicht langfristig verbraucht, Biodiversität nicht gefährdet, und die Umwelt nicht dauerhaft belastet werden, auch nicht in Übersee. Die Politik habe dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen und für den Schutz landwirtschaftlicher Betriebe vor marktbeherrschenden Unternehmen. Eine nachhaltige Produktion dürfe sich nicht zum Nachteil landwirtschaftlicher Betriebe auswirken.

Siegmund forderte abschließend zu einem Dialog über die richtigen Formen der Tierhaltung und Tiernutzung auf.
Ihre Rede wurde mit viel Beifall quittiert.