„Was heißt unabhängig? Ist das die größtmögliche Entfernung von Kirche? Oder stellt schon die Finanzierung einer Studie durch Kirchen die Unabhängigkeit der Erkenntnisse in Frage?“ Eine konkrete Antwort konnte Rainer Kluck als Anwalt des Publikums der Landessynode am Mittwoch nicht überbringen. Sehr wohl aber wolle er die Anliegen jener, die nicht direkt vor der Synode sprechen können, „verstärken und einordnen“.
Kluck, ehemaliger Leiter der Fachstelle sexualisierter Gewalt der Nordkirche sowie bis zu seinem Ruhestand in beratender Funktion bei der EKD tätig, war vom Präsidium der Landessynode beauftragt worden, Voten des Publikums zu seinem Anliegen zu machen und diese den Synodalen vor ihrer Aussprache zum Themenkomplex Sexualisierte Gewalt vorzustellen. Auf diese Weise, so Synodalpräsident Dr. Matthias Kannengießer bei der Vorstellung Klucks, erhielten die Synodalen eine möglichst breite Palette an Aspekten vor ihrer eigenen Auseinandersetzung mit dem Thema.
Kluck war bereits seit einigen Tagen per Telefon und E-Mail für betroffene Personen kontaktierbar. „Ich habe in den vergangenen Tagen mehrere Telefongespräche geführt“, berichtete Kluck. Zudem hätten ihn mehrere E-Mails erreicht; zwei davon seien auch als Offener Brief an alle Synodalen gegangen. Die erste Aufstellung bezog sich auf mehrere Eingaben, die eine Gruppe betroffener Personen nach der Frühjahrstagung an das Präsidium gerichtet hatte. Der zweite Offene Brief der betroffenen Person Kerstin Krebs sei sowohl an die Synodalen als auch an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil gegangen: Die Besetzung der URAK sei auf Basis einer unzulänglich präzisen Geschäftsordnung keinesfalls neutral, sondern bevorzuge kirchliche Aspekte. „Die URAK muss die unabhängige Aufarbeitung leisten, wie sie von der Beauftragten der Bundesregierung, der UBSKM, versprochen worden ist“, sagte Kluck. Eine andere Aufstellung, die Kluck durch die betroffene Person Jakob Feisthauer erreicht hatte, ging den Synodalen noch während Klucks Bericht per E-Mail zu.
Laut Kluck legten die betroffenen Personen, die sich an ihn gewendet hätten, den Finger in die Wunde. Oft durchaus mit gutem Wissen um Strukturen innerhalb der Kirche und deren Kultur. „Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir betroffene Personen wirklich beteiligen können“, mahnte Kluck. Nicht allen sei es möglich, sich in den „Hot Spot“ wie einer Landessynode zu begeben. Nicht alle seien in der Lage, sich intellektuell diesen Debatten zu stellen. Sowohl laute als auch leise Stimmen seien zu hören. Nicht immer ließen sich Personen demokratisch legitimieren, nicht nur für sich selbst, sondern für eine größere Gruppe zu sprechen. In anderen Zusammenhängen, darunter das Beteiligungsforum der EKD, seien Personen über ihre Fachlichkeit legitimiert mitzuarbeiten.
Kluck betonte, dass die aktuell verschiedenen Netzwerke betroffener Personen (darunter Personen, die beim Beteiligungsforum der EKD nicht mitwirken könnten oder wollten) keineswegs in Konkurrenz zueinander zu verstehen seien, sondern vielmehr als Ergänzung.
Kluck stimmte Landesbischof Ralf Meister zu, der in seinem Bericht Begriffe wie Vergebung oder Versöhnung als zuerst zu nennende Begriffe ausgeschlossen hatte. „Die Harmoniebedürftigkeit der evangelischen Kirche ist ein rotes Tuch“ für betroffene Personen. Kluck stellte den Synodalen die Forderung nach einem noch nicht gefundenen Umgang mit Beschuldigten und deren Unterstützernetzwerken vor. Und er mahnte eine Auseinandersetzung mit spirituellem Missbrauch an. „Macht darf nicht tabuisiert werden“, sagte Kluck und wies auf die Innenperspektive betroffener Personen auf die Machtkonstellationen in der evangelischen Kirche hin.