Gegen Gewalt: „Einheitliches und zügiges Handeln“

Eine männlich gelesene Person mit Brille und kurzen Haaren am Podium.
Bild: Jens Schulze

„Wir müssen die richtige Balance finden zwischen einem geordneten und einheitlichen Vorgehen einerseits und einem gebotenen zügigen Handeln anderseits.“ So beschrieb der neue Präsident des Landeskirchenamts, Dr. Jens Lehmann, am Mittwoch das aktuelle Vorgehen der Landeskirche beim Themenbereich Sexualisierter Gewalt.

Vor der Landessynode ging Lehmann auf eine Reihe von Vorhaben ein, die das Kirchenparlament auf seiner Tagung im Juni 2024 in Loccum auf den Weg gebracht hatte.

Bei der personellen Aufstockung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche seien wichtige Schritte erfolgt: Mit Mareike Dee gibt es eine neue Leitung der Fachstelle. Sie war bisher für den Bereich der Prävention zuständig und übt die Leitung künftig auf einer vollen Stelle aus. Bisher waren dafür lediglich 25 Prozent vorgesehen. Aktuell sind damit in der Fachstelle neun Personen mit unterschiedlichen Stellenumfängen tätig. Zwei Stellen werden im kommenden Jahr noch besetzt.

Mitbestimmung von betroffenen Personen

Große Bedeutung für den künftigen Umgang mit dem Thema Sexualisierte Gewalt hat die Frage, wie betroffene Personen an kirchlichen Beratungsgängen, etwa zu Gesetzesvorhaben, beteiligt werden können. Hierzu hat eine Arbeitsgruppe in den letzten Monaten eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet und der Landessynode vorgelegt.

Dabei geht es einerseits um sehr konkrete Fragen: Sollen betroffene Personen in Gremienssitzungen Rederecht bekommen? Wie kann eine verlässliche Weitergabe von Informationen über Gremienentscheidungen an Betroffene sichergestellt werden? Andererseits muss sich die Landessynode mit grundlegenden Fragestellungen auseinandersetzen. Wie kann eine Betroffenenvertretung, die an Entscheidungen mitwirkt, mandatiert werden? Soll  eine Form der Mitbestimmung gefunden werden, die sich eher an einem Anhörungsmodell orientiert oder geht es um festgeschriebene Mitbestimmung?

Die Mitglieder der Landessynode beauftragten den Rechtsausschuss und den Ausschuss für kirchliche Mitarbeit, bis zur nächsten Tagung des Kirchenparlaments im Mai 2025  hierzu einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten.

Fortschritte bei Prävention und Anerkennung

Bis Ende 2024 würden rund 10.000 Mitarbeitende die Grundschulungen zur Sensibilisierung gegen Sexualisierte Gewalt absolviert haben, berichtete Lehmann weiter. Durch die steigende Zahl der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die die Schulungen in die Fläche tragen, würden weitere 10.000 Personen im Jahr 2025 eine Grundschulung erhalten. Lehmann unterstrich, dass die Landeskirche sich zu Ziel gesetzt habe, alle beruflich Tätigen in der Landeskirche zu schulen und nicht nur die Personen, die im kinder- oder jugendnahen Bereich beschäftigt sind. Gleiches gelte für die Ehrenamtlichen.

Immer wieder sei bemängelt worden, sagte Lehmann, dass in den Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden bundesweit nicht flächendeckend vergleichbare Verfahren bei der Gewährung von Anerkennungsleistungen angewendet würden. Grund dafür sei, dass die einzelnen Kirchen eigene Grundsätze für die Bestimmung der Höhe von Anerkennungsleistungen geschaffen hätten. Die Landeskirche Hannovers wende die bisherige Musterordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland an und folge der Empfehlung, die Leistungen individuell am erlittenen Unrecht zu orientieren und nicht zu pauschalisieren.

Die Antwort solle eine neue, von allen Kirchen anzuwendende Anerkennungsrichtlinie sein, die eine Kombination aus einer Pauschalzahlung und einer individuellen Zahlung beinhalte. Derzeit laufe auf Ebene der EKD ein Stellungnahmeverfahren und er hoffe, „dass wir möglichst schnell eine klare und für alle gültige Regelung haben werden“.

„Unsere Leitungs- und Fehlerkultur korrigieren wir“, sagte Lehmann abschließend „indem wir unsere Präventionskonzepte nicht nur schreiben, sondern hoffentlich auch leben.“ Er sehe viele Orte, an denen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt gesprochen, gerungen und gestritten werde. All dies Indizien für einen beginnenden Kulturwandel, so Lehmann. „Wir sind noch lange nicht am Ende, aber wir stehen auch nicht mehr am Anfang.“