Die Aussprache zum schriftlichen Bericht von Landesbischof Ralf Meister kreiste in der Hauptsache um zwei große Themenkomplexe. Zunächst um die Frage der theologischen Begriffe von Schuld und Vergebung im Zusammenhang sexualisierter Gewalt. Und zum anderen um die Frage nach Frieden angesichts des Krieges in Israel.
Umgang mit sexualisierter Gewalt – Lernschritte von außen
Die theologische Auseinandersetzung mit dem Thema „Schuld und Versöhnung“ gerade im Zusammenhang sexualisierter Gewalt sei wichtig, sagte Dr. Martin Krarup (Sprengel Stade) für den Ausschuss für Theologie und Kirche. Der Ausschuss werde diesbezüglich bei entsprechender Gelegenheit während der Synodentagung einen Antrag einbringen, doch zunächst sollten die Beiträge Betroffener abgewartet werden.
Nina Hollung (Sprengel Lüneburg) griff die Ausführungen von Landesbischof Ralf Meister zu einem besonderen Sonntag auf, den die Church of England seit einigen Jahren eigens für die Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierter Gewalt eingerichtet hat, einen sogenannten „Safeguarding-Sunday“ („safeguarding“ bedeutet Schutz). „Können wir nicht auch solch einen Sonntag in unserer Landeskirche gestalten“, fragte Hollung.
Christian Berndt (Sprengel Lüneburg) gab aus seiner Erfahrung heraus zu bedenken, dass die Einrichtung eines solchen Themensonntages von unten her wachsen müsse. Die Anregung müsse von Betroffenen kommen. Der Sonntag oder der Ort sei dann gemeinsam mit ihnen zu gestalten. Dabei komme es auf deren eigene Sichtweise an.
Was tun für den Frieden?
„Dass es in unserem Land überhaupt nötig ist, sich gegen Antisemitismus zu engagieren, ist traurig. Dass Sie es dauerhaft tun, ist vorbildhaft“, sagte Johannes Klapper (Sprengel Lüneburg) zu Landesbischof Meister. „Ich bin sehr guter Hoffnung, dass dieses Thema bei Ihnen weiterhin in guten Händen bleibt.“
Uta Giesel (Sprengel Hildesheim-Göttingen) dankte für die solidarische Unterstützung der Menschen im Nahen Osten. Wie Christinnen und Christen in der Westbank leben, habe sie auf Studienreisen in neun Jahren mit über 300 Lehramtsstudierenden für Religionspädagogik erlebt. „Diejenigen, die dort in der Region Friedensarbeit leisten, brauchen mehr Unterstützung“, sagte Giesel und bat den Landesbischof, bei seinem Besuch am 4. Advent mit seinem Kollegen Bischof Ibrahim Azar vor Ort über die Möglichkeiten der Unterstützung christlicher Gemeinden und Schulen zu sprechen. Dem von Giesel eingebrachten Antrag stimmte die Landessynode zu: Der Ausschuss für Mission und Ökumene wird gebeten, sich über die Situation der christlichen Gemeinden und Schulen in der Westbank zu informieren und zu prüfen, welche Unterstützungen möglich sind und der Landesynode darüber zu berichten.
Hinsichtlich der Ausführungen des Landesbischofs zum Friedensort in Tidofeld (Norden) erinnerte Dr. Karin Köhler (Sprengel Hildesheim-Göttingen) an die Friedensorte der Landeskirche und daran, dass die letzte Herbstsynode beschlossen hatte, zu prüfen, ob die Friedensorte dauerhaft unterstützt werden könnten.
Marie-Luise Brümmer verwies darauf, dass dies am morgigen Donnerstag in die Beratungen der Synode mit aufgenommen werde.
Regionalbischof Friederich Selter (Sprengel Osnabrück) gab ergänzend zum Bischofsbericht zu bedenken, dass es auch muslimische Menschen gebe, die unmittelbar vom Krieg betroffen seien und nicht verstehen würden, wenn einseitig für Israel Partei ergriffen werde. Hier gebe es große Spannungen. Selter dankte den Migrationsberatungsstellen, die diese Spannungen aushalten müssten, und auch den Lernhäusern der Evangelischen Erwachsenenbildung.
„Das Haus der Religionen ist ein ganz wichtiger Bereich unserer Arbeit, die verschiedenen Glaubensgruppen im Blick zu behalten und für Aussöhnung zu sorgen“, sagte Ruth Scheffler-Hitzegrad (Sprengel Lüneburg) und rief dazu auf, andere Krisenherde nicht aus dem Blick zu verlieren.
Halleluja
Den Schlussteil des Bischofsberichts ergänzten Dr. Fritz Hasselhorn und Kea Irmer (siehe Bild).
Dr. Fritz Hasselhorn (Sprengel Osnabrück) berichtete von der ersten Frau als Mitglied der Landessynode. Durch die Patronatsregelung hatte es bereits keine theologischen Gründe dagegen gegeben, dass Frauen Mitglied in einem Kirchenvorstand oder der Synode sein könnten. Nachdem das Frauenwahlrecht 1919 zur Wahl der Nationalversammlung eingeführt worden war, konnte auch die Landessynode nachziehen. Mit Paula Müller-Otfried kam die erste Frau in der Landessynode aus dem Wahlkreis Hannover.
„Unsere Kirchenvorstände sind enorm engagiert“, schloss sich Kea Irmer (Sprengel Ostfriesland-Ems) dem „Halleluja“ des Landesbischofs an. „Lasst und die jungen Menschen weiter motivieren, in die Kirchenvorstände zu kommen. Sie bringen ihre Ideen voran“, sagte Irmer und schwärmte von der Wochenendveranstaltung „Jung im KV“ in Verden mit 18 jungen Leuten. Dies werde im Januar und auch später noch fortgesetzt. Dann hätten 18 Prozent junger Menschen im Kirchenvorstand diese Fortbildung besucht – und dies mit Begeisterung. „Besser hätte ich das Wochenende nicht verbringen können“, sagte eine Teilnehmerin, so Irmer. Sie lud Meister spontan zur Teilnahme an einer der Fortsetzungstreffen ein; eine Einladung, die der Landesbischof noch in der Sitzung sehr gerne annahm.
Aussprache zu den mündlichen Erläuterungen des bischöflichen Berichts
Als Hinführung zu seinem schriftlichen Bericht gab Landesbischof Meister abseits des Manusskripts einige mündliche Erläuterungen. Uta Giesel (Sprengel Hildesheim-Göttingen) griff das Thema „Kirchenasyl“ auf. Sie habe sich über die bischöflichen Ausführungen zum „zivilen Ungehorsam“, wie Meister das Bereitstellen von Kirchenasyl genannt hatte, gefreut und auch dass der Landesbischof beim Kirchenasyl auf Seiten der Kirchengemeinden stehe. Der Begriff „ziviler Ungehorsam“ könne aber abschreckend wirken. Dadurch würden manche dazu verleitet, aus Angst, mit dem Staat in Konflikt zu geraten, dem Kirchenasyl in einer Gemeinde nicht zuzustimmen. Giesel plädierte dafür, beim Kirchenasyl von einem „legitimierten Ausnahmeverfahren“ zu sprechen. Schließlich sei dieses Recht verbrieft. Dann könnten Kirchengemeinden mutiger werden. Die Anfragen nach Kirchenasyl seien enorm gestiegen.
Den Begriff „ziviler Ungehorsam“ verstehe der Landesbischof positiv, entgegnete Meister in seiner Antwort. Ziviler Ungehorsam könne ein Dienst am Recht sein und sei ein Maßstab der Gerechtigkeit zur Einhaltung humanitärer Grundwerte. Kirchenasyl sei ein Verfahren mit klaren Verabredungen und Vereinbarungen in der Situation humanitärer Not.
Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track berichtete, dass der Antrag der Junisynode erfüllt sei und auf Ebene der Konföderation eine halbe Stelle für die Begleitung von Kirchenasyl und der Härtefallregelung eingerichtet wurde.
Meister als leitender Bischof der VELKD
Außerhalb des Bischofsberichts erkundigte sich Daniel Aldag (Sprengel Ostfriesland-Ems), was es bedeute, dass Meister zum leitenden Bischof der VELKD gewählt worden sei.
Es gehe ihm darum, eine bekenntnisorientierte Kirchengemeinschaft lutherischer Kirchen bei geringer werdenden finanziellen Mitteln zukunftsfähig zu gestalten, sagte Meister. Dazu gehöre es, Aus-, Fort- und Weiterbildung zu gewährleisten. Auch biete die VELKD mit ihrer Bekenntnis-Orientierung den Zusammenhang zur weltweiten Gemeinschaft, wie beispielsweise seinen bevorstehenden Besuch der lutherischen Kirche in Jerusalem.