Queer-Pastor: „One Love“-Binde wäre wichtiges Signal bei WM gewesen
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Hannover. Der Queer-Pastor der hannoverschen Landeskirche, Theodor Adam, bedauert, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Mittwoch aller Voraussicht nach ohne „One Love“-Armbinde zu ihrem ersten Spiel bei der WM in Katar auflaufen wird. „Wenn die WM schon stattfindet, dann hätte ich mir zumindest deutlich wahrnehmbare Kritik an der dortigen Menschrechts-Situation gewünscht – wie eben dieses Plädoyer für eine offene und diverse Gesellschaft“, sagte Adam im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Insgesamt sieben europäische Nationalmannschaften hatten im Vorfeld des umstrittenen Großereignisses angekündigt, mit der Binde antreten zu wollen, die eine Regenbogenfahne in einem Herz zeigt. Auf Druck des Weltfußballverbandes Fifa hatten die Teams ihre Entscheidung am Montag zurückgenommen. „Ich wünsche mir mehr Mut gegenüber der Fifa. Der Austragungsort ist nicht mehr umkehrbar, aber das heißt nicht, sich nicht mehr dazu äußern zu dürfen“, betonte der Queer-Pastor.
Die Entscheidung für Katar sei 2010 trotz des Wissens um die prekäre Menschenrechtssituation in dem Wüstenstaat gefallen, seither habe sich nichts an der schwierigen Situation von nach Selbstbestimmung strebenden Frauen, von queeren Menschen und von Arbeitsmigranten geändert. „Man hätte die vielen Jahre nutzen können, einen anderen Austragungsort zu finden – oder, auch gegen die Fifa, ein alternatives Event zu organisieren“, unterstrich Adam. Auf diese Weise hätte der Fußball ein „mutiges Signal für eine Sportlichkeit setzen können, die Werte wie Fairness und Gleichberechtigung einschließt. Für Werte also, die in Katar nicht gegeben sind“.
Stattdessen sei der Weltfußball „sehenden Auges“ in eine Situation geraten, in der Politik den Sport dominiert: „Das Bittere ist, dass der Sport und die Begeisterung für ihn ins Hintertreffen geraten. Stattdessen wird alles, was auf dem Platz geschieht, politisch gedeutet“, sagte der Theologe.
Dass ausgerechnet eine Regenbogen-Binde im noch immer von „stereotypen Männlichkeitsvorstellungen“ dominierten Fußball zum Bekenntnis für Toleranz und Respekt für queere Menschen werden sollte, bezeichnete Adam als „leises Zeichen eines Kulturwandels“. Gerade die Nationalelf wirke vorbildhaft in die Breite des Sports. Wenn ein Manuel Neuer sich als heterosexueller Mann mit dem bekanntesten Symbol der queeren Community zeige, sei dies „keine billige Aneignung fremder Symbole, sondern Ausdruck echter Solidarität und ein Bekenntnis zu einer pluralen Gesellschaft“.
Die Regenbogenfahne hat verschiedene Bedeutungen. Verbreitet ist sie seit den frühen 1960er Jahren etwa als sogenannte „PACE-Fahne“ in der Friedensbewegung. Seit den 1970er Jahren ist die bunt gestreifte Flagge ein Erkennungszeichen der internationalen Schwulen- und Lesbenbewegung, das sich zunehmend zu einem Zeichen für sexuelle und geschlechtliche Diversität entwickelt hat. Heute wird die Regenbogenfahne, die inzwischen in diversen Variationen existiert, zunehmend als generelles Plädoyer für Vielfalt gelesen.
epd-Gespräch: Daniel Behrendt