Gedenken in Sandbostel: Politik und Kirche rufen zum Widerstand gegen Hass auf
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Sandbostel/Kr. Rotenburg (epd). Führende Vertreter aus Politik und Kirche haben am Freitag zum Jahrestag der Befreiung des ehemaligen NS-Kriegsgefangenenlagers in Sandbostel zum Widerstand gegen Hass und Intoleranz aufgerufen. "Die Geschichte des Lagers zeigt, was geschieht, wenn der Zerstörung von Recht, Würde und Anstand Tür und Tor geöffnet wird", warnte die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister mahnte, die Geschichte dieses Ortes zeige, "wie dünn die Haut unserer Zivilisation ist, auf der wir uns meist so selbstverständlich und sicher bewegen".
Am 29. April 1945 befreiten britische Soldaten im niedersächsischen Sandbostel 14.000 Kriegsgefangene und 7.000 KZ-Häftlinge. Die Soldaten fanden in den Unterkünften der etwa 9.500 Häftlinge aus dem kurz zuvor geräumten KZ Neuengamme katastrophale Bedingungen vor. Auf dem Areal lagen Hunderte Leichen teilweise seit Tagen unbestattet herum. "Was hier geschehen ist, sollte uns immer wieder daran erinnern, wie wichtig der Schutz von Grundrechten und die rechtliche Sicherung der menschlichen Würde ist", sagte Heiligenstadt laut Redemanuskript.
Sandbostel stehe für die systematische Missachtung von Menschenrechten und Völkerrecht. Angesichts der Lage der Menschen in Syrien oder im Irak zeige sich, dass Fragen danach aktuell seien, ergänzte die Ministerin. "Je weniger Überlebende es gibt, die uns ihre Geschichte erzählen können, desto wichtiger werden die baulichen Zeugnisse und die authentischen Gedenkorte aus dieser Zeit."
Meister sagte, wenn das Gedächtnis an diesem Wort wachgehalten werde, dann nicht, um allgemeine Friedensformeln auszutauschen. "Hier kann man lernen, dass öffentliches Erinnern die Geste einer Gesellschaft ist, die sich mutig und wach der eigenen Geschichte stellt."
In einem abschließenden Gottesdienst betonte der Bischof, die Reihe der antisemitischen und ausländerfeindlichen Parolen von Politikern und Bürgern mache ein solches Gedenken unbedingt notwendig. Entgleisungen in Montagsdemonstrationen, im Netz oder in Parteiprogrammen seien aufschreckende Indizien für eine um sich greifende Haltung, in der die Achtung vor dem Fremden falle und die Toleranz gegenüber dem Andersglaubenden verworfen werde: "Widerstand ist geboten gegen diese mäandernden Parolen, die Zwietracht säen und Angst machen."
Öffnungszeiten der Gedenkstätte Sandbostel: Ganzjährig montags bis freitags zwischen 9 und 16 Uhr sowie an allen Sonn- und Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. Samstags geschlossen. An jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat wird um 14 Uhr ein Rundgang angeboten.