Nicht zu übersehen - die Kirchen des Conrad Wilhelm Hase
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An Conrad Wilhelm Hase kommt in Norddeutschland niemand vorbei. Über 70 Kirchen hat er hier gebaut, dazu Bahnhöfe und Schlösser. Hases Markenzeichen: Der Backstein. Heute wäre er 200 Jahre alt geworden. Prof. Dr. Thorsten Albrecht, Leiter des Kunstreferats der Landeskirche Hannovers, erläutert Hases Bedeutung.
Herr Albrecht, wenn Sie Hase mit dem Konstrukteur einer Automarke vergleichen würden, was für Autos hätte er gebaut?
Oberklasse und robuste Dauerläufer. Sein Mercedes ist die Christuskirche von 1864 in Hannover, groß, prächtig, vom König finanziert. Sie wurde Maßstab für die ganze Landeskirche. Und dann hat er sozusagen auch die Golf-Klasse geprägt: Robuste, praktisch-funktionale Dorfkirchen. So gestaltet, dass der Pastor gut zu sehen ist und damals ohne Mikrofon zu verstehen war.
Was ist das Besondere an Hase-Kirchen?
Man erkennt sie eigentlich sofort. Neogotische Backsteinkirchen, unverputzt, oft auch mit glasierten Ziegeln. Selbst bei der Turmspitze setzte er auf Ziegelsteine, das war ungewöhnlich. Für Hase war wichtig, dass das Baumaterial zu sehen ist. Er orientierte sich damit am Vorbild der norddeutschen Backsteingotik. Auch innen hat er auf Klarheit gesetzt: Eine Ausstattung aus Holz, ursprünglich nicht bemalt, die eine angenehme Stimmung in der Kirche schaffen sollte.
Hase hat in der Landeskirche rund 60 Kirchen gebaut. Gibt es Architekten, die mehr gebaut haben?
Nein. Sein Vorgänger, Ludwig Hellner kommt ihm mit 47 Kirchen aber nahe. Hases Bedeutung geht aber über die reine Zahl der Bauwerke hinaus. Er war vor allem Hochschullehrer mit wohl über 3500 Studenten, viele davon haben später in seinem Stil gebaut. Hase war außerdem einer der Baumeister, die am Eisenacher Regulativ mitgearbeitet haben. 1861 haben dort Baumeister überlegt, wie künftig einheitlich evangelische Kirchen aussehen sollen. Sie haben sich für Neugotik als Baustil entschieden, also Hases Stil. Außerdem wurde zum Beispiel festgelegt, dass der Altarraum immer einige Stufen höher sein sollte als das Kirchenschiff, damit er gut zu sehen ist. Die Kanzel soll immer am Übergang vom Chor zum Hauptschiff stehen.
Mit Verlaub, solche Vereinheitlichungen klingen langweilig.
Sie hatten ihren Sinn. Damals gab es auf den Dörfern und in den Städten ein großes Bevölkerungswachstum, es wurden viele neue Kirchen gebraucht. Außerdem hatten die Richtlinien eine politische Dimension. Deutschland war bis zur Reichsgründung 1871 in viele Staaten zersplittert. Die Kirchen sollten unter anderem Ausdruck eines nationalen Baustils sein. Diese Bestrebungen gab es seit dem Revolutionsjahr 1848.
Lässt sich von Hase auch fürs Bauen von Kirchen heute lernen?
Oh ja. Hase hat mit dem natürlichen Baumaterial gearbeitet, dass er in der Gegend vorgefunden hat. Das könnte man heute nachhaltig nennen und das kann durchaus Vorbild sein.
Das war viel Lob fürs Geburtstagskind. Haben seine Bauten vielleicht auch Schwächen?
Hase hat vor dem Studium eine Maurerlehre gemacht. Das ist eine gute Voraussetzung für einen Architekten, er weiß dann nämlich, was seine Ideen praktisch auf der Baustelle bedeuten. Die Kollegen vom Amt für Bau- und Kunstpflege klagen selten über seine Kirchen – manchmal gibt es aber Probleme mit der Wasserableitung der zum Teil verschachtelten Dächer.
Empfehlen Sie doch bitte drei Hase-Kirchen, die man gesehen haben sollte.
Lassen Sie mich fünf nennen, das zeigt die Breite seines Werkes besser. Da ist als erstes die Christuskirche in Hannover, wie gesagt, der Mercedes unter den Hase-Kirchen. Dann die Dorfkirche in Wettmar (Burgwedel). Sie ist eine seiner ersten und noch im Rundbogenstil, nicht neugotisch. Dann ist da natürlich die große Kirche in Hagenburg am Steinhuder Meer. Eitzendorf (Hilgermissen) sticht heraus, weil Altar und Kanzel mit Steinen aus gebrannter Keramik gemauert sind. Deshalb stand ein Modell der Kirche sogar 1893 auf der Weltausstellung in Chicago. Ganz besonders außerdem Tripkau (Amt Neuhaus), eine seiner drei Fachwerkkirchen.
Interview: Dirk Altwig