„Ich habe die Kirche zusammengehalten“
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Als Wissenschaftler erwarb er sich ebenso Respekt wie als Bischof: Der frühere EKD-Chef und hannoversche Landesbischof Professor Eduard Lohse aus Göttingen ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Zwischen 1979 und 1985 war der Theologie-Professor als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der höchste Repräsentant des deutschen Protestantismus. Und 17 Jahre lang, von 1971 bis 1988, stand er an der Spitze der größten deutschen Landeskirche, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Der Hanseat Lohse steuerte die evangelische Kirche durch stürmische Zeiten. Friedensdemonstranten protestierten lautstark gegen Atomraketen und erschienen auch vor EKD-Synoden. Auf der anderen Seite erhoben Konservative ihre Stimme. Lohse suchte mit beiden Seiten das Gespräch. „Meine Aufgabe war es, die Kirche zusammenzuhalten, so dass nicht einzelne Gruppen sich isolieren oder ausbrechen“, sagte er vor rund einem Jahr dem epd. Umsicht und Weisheit, verbunden mit großer persönlicher Zuwendung haben ihm Weggefährten attestiert. Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der Lohse sehr schätzte, lobte seine ^Urteilskraft und moralische Integrität.“
Abt von Loccum und Vorsitzender des Konvents am Predigerseminar Kloster Loccum, Eduard Lohse, aufgenommen 1985. Bild: Norbert Netz / epd-Bild
Der 1924 in Hamburg geborene Lohse scheute nie die klare Meinungsäußerung, etwa als er sich für die umstrittenen Ostverträge mit der DDR aussprach. Bereits 1979 mahnte er einen barmherzigen Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen an. Der frühere EKD-Chef Nikolaus Schneider schrieb ihm als einer seiner Amtsnachfolger: „Sie waren damit Ihrer Zeit und vielen Ihrer Zeitgenossen weit voraus.“
Lohse selbst war stolz darauf, dass sich während seiner Amtszeit als Bischof landauf landab die Ordination von Frauen zu Pastorinnen etablierte. „Diese Neuformierung der Pfarrerschaft hat sich für unsere Kirche sehr positiv ausgewirkt“, bilanzierte er später.
Seine wissenschaftliche Laufbahn begann der Sohn eines Studienrats unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Schnellboot-Kommandant bei der Marine gedient hatte. Bereits 1949 promovierte er in Göttingen. Professor für das Fach Neues Testament wurde er zunächst in Kiel, seit 1964 in Göttingen, wo er auch Rektor der Georg-August-Universität war. Seine wissenschaftlichen Werke prägten Generationen von Studierenden.
Eduard Lohse (rechts), Bischof Albrecht Schönherr (links), zu Besuch beim Staatssekretär Klaus Gysi am 17. März 1980 in Ost-Berlin. Fotograf: Bernd Bohm / epd-Bild
1970 wählte ihn die hannoversche Landessynode zum Nachfolger von Landesbischof Hanns Lilje. Der populäre Lilje überraschte damals viele, als er einen Wissenschaftler für seine Nachfolge vorschlug. Lohse wiederum weckte als Bischof Erstaunen, als er sich für ein Studienhalbjahr in die USA zurückzog. In seine Zeit als Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft fiel die Modernisierung der Lutherbibel - für Lohse eines der wichtigsten Ereignisse seiner Amtszeit.
Mehrere Universitäten im In- und Ausland haben den Neutestamentler mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Die päpstliche Universität Gregoriana in Rom lud den evangelischen Theologen zu Gastvorlesungen ein. 1988 wählte ihn der Weltbund der Bibelgesellschaften zu seinem Präsidenten. 2007 wurde Lohse für sein „einzigartiges wissenschaftliches Werk“ und seine Impulse für das Verhältnis zwischen Juden und Christen mit dem Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen geehrt.
Viel Beachtung erfuhr Lohse Anfang November 2010: Im Hamburger Michel hielt er die Trauerpredigt für Helmut Schmidts verstorbene Ehefrau Hannelore („Loki“). Und erst vor wenigen Wochen gab er noch eine einstündige Bibelarbeit vor dem Kirchenparlament in Hannover.
Wichtig war ihm die Gemeinschaft der Kirchen in der Ökumene. Gemeinsam mit dem Mainzer Bischof Karl Lehmann war er Vorsitzender des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Und besonders wichtig war ihm seine Familie, in deren Kreis er am Dienstag starb: seine Frau Roswitha, mit der er 63 Jahre verheiratet war, sowie drei Kinder und sechs Enkel.
Michael Grau (epd)Im Kreis von Nachfolgern im Amt des Vorsitzendes des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Landesbischof Eduard Lohse (Mitte), rechts neben ihm: Bischof Martin Kruse, links neben ihm Landesbischof Klaus Engelhardt. Bild: Norbert Neetz / epd-Bild
Drei Generationen - ein Amt. Bild: Jens Schulze