Ein Seelsorger, der auch ein bisschen Trainer ist
Seit 1972 schicken die Kirchen Seelsorgerinnen und Seelsorger zu den Paralympics. In Paris ist ab Ende August Pastor Christian Bode für das Team Deutschland da, wenn es um Sieg und Niederlage geht – und viele Lebensthemen darüber hinaus.
Osnabrück. Mit leuchtenden Augen präsentiert Pastor Christian Bode sein nagelneues cremefarbenes Trikot mit dem paralympischen Symbol auf der Brust und dem Bundesadler auf dem Ärmel. Das Shirt gehört ebenso wie sein Talar zu seiner Dienstkleidung für die am 28. August beginnenden Paralympics in Paris. „Wir erhalten einen Teil der Einkleidung wie die Sportler“, schwärmt der Paralympics-Pastor der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Das zeigt, dass die Seelsorge einen festen Platz im Team hat.“
Gemeinsam mit seiner katholischen Kollegin Elisabeth Keilmann, Sportseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz, steht der 46-Jährige in Paris als kirchlicher Ansprechpartner für Sportler, Mitarbeitende und Fans bereit. Gemeinsam mit Psychologen und Therapeuten bilden sie das „well-being-Team“. „Wir leisten hoffentlich einen kleinen Beitrag zum Wohlbefinden unserer kleinen paralympischen Familie“, sagt der Pastor, der hauptberuflich die Evangelische Erwachsenenbildung in Osnabrück leitet.
Dass Bode als Seelsorger bei den Paralympics, für die er seit 2012 alle zwei Jahre freigestellt wird, geradezu prädestiniert ist, zeigt er am Tischtennistisch. Mit Tochter Henrike (15), immerhin Mitglied im Niedersachsen-Nachwuchskader, lässt er die Bälle gekonnt hin- und herflitzen. Das kommt nicht von ungefähr: Von 2001 bis 2008 war Bode nebenberuflicher Tischtennistrainer des Deutschen Behindertensportverbandes und hat in dieser Eigenschaft schon an den Paralympics 2008 teilgenommen.
Seit 1972 entsenden die katholische und evangelische Kirche Seelsorgerinnen und Seelsorger zu den Olympischen und Paralympischen Spielen. Die Themen, mit denen sie konfrontiert werden, sind vielfältig, weiß Bode aus seiner langjährigen Erfahrung. Sportler suchten das Gespräch mit ihm nach Siegen ebenso wie nach Niederlagen, nach erfüllten wie nach zerplatzten Träumen. „Aber in jeder Sporttasche sind noch viel mehr Lebensthemen. Manche fragen sich, wie sie ihrer Familie für die Unterstützung danken können, andere, wie sie in den Alltag zurückfinden.“
Und fast immer gehe es auch um Fragen nach Tod und Sterben. In Sotschi war die Großmutter einer Mitarbeiterin einen Tag vor Beginn der Spiele gestorben, erzählt der Theologe. Ihre Familie hatte sie motiviert, dennoch zu den Winter-Paralympics zu fahren. Nach wenigen Tagen habe sie dann doch das Gefühl überwältigt, am falschen Ort zu sein. „Zum Zeitpunkt der Trauerfeier haben wir im Deutschen Haus gemeinsam eine Kerze angezündet.“
Bode versucht, den Athleten möglichst nahe zu sein. Über die Team-App spielt er jeden Tag einen geistlichen Impuls auf ihre Smartphones. Für mehrere Sportarten wie Leichtathletik oder Rollstuhlbasketball hat der Pfarrer Tickets gebucht. Er bewahrt sich aber auch Freiräume, um auf spontane Anfragen reagieren oder Sportler zu Wettkämpfen begleiten zu können. „Das hat es in der Vergangenheit immer gegeben, dass Athleten mir gesagt haben, es gebe ihnen Kraft, wenn ich bei ihrem Wettkampf dabei bin.“
Daraus seien sogar bis heute andauernde Kontakte entstanden. Bode erinnert sich an die erste Begegnung mit Para-Radsportler Hans Peter Durst 2012 in London. Seitdem treffen sie sich mehrmals im Jahr. „Damals hatte Hans Peter kurz zuvor einen Trainingsunfall erlitten und gewann trotzdem Silber.“ Vier Jahre später stand Bode in Rio an der Strecke. Durst fuhr als Erster durchs Ziel. „Nach der Siegerehrung gab er mir seine Goldmedaille. Er meinte, ich sei als Pfarrer der Einzige, der sie sicher ins Deutsche Haus bringen könne“, erzählt der Pfarrer augenzwinkernd: „Ich habe selten so vor Aufregung geschwitzt.“
Im Deutschen Haus will Bode auch dieses Mal präsent sein. Dort wird er mit seiner katholischen Kollegin Gottesdienste feiern und in einem eigens dafür vorgesehenen Raum für Seelsorge-Gespräche zur Verfügung stehen. „Das paralympische Dorf darf ich hingegen nur besuchen, wenn ich angefragt werde. Das ist ein wenig schade.“
Eine besondere Nähe hat der Theologe natürlich zum Tischtennisteam. „Die meisten Spielerinnen, die in Paris zum Nationalteam gehören, kenne ich gut, weil ich sie als Nachwuchstrainer betreut habe.“ Mit Tischtennis-Ass Stephanie Grebe verbindet den Pastor sogar eine tiefe Freundschaft. Er gehört zu ihren Entdeckern. „Ich weiß noch, dass ich Steffi, als sie noch ein Kind war, erstmals in einer Sporthalle in Berlin gesehen und gedacht habe: Wow, aus der kann mal was werden“, erzählt Bode. Ein wenig Stolz klingt in seiner Stimme, als er ergänzt: „Dieses Jahr spielt sie ihre vierten Paralympics und gehört zu den Medaillenfavoriten.“