RPI bietet Materialien zur Krise im Nahen Osten an
„Auf der einen Seite sprechen wir von einem Gott der Liebe und des Friedens. Auf der anderen Seite leiden und sterben so viele Menschen. Wie geht das zusammen? Diese Frage beschäftigt die Kinder“, sagt Verena Potgeter, Lehrerin für Evangelische Religion und Englisch am Evangelischen Gymnasium Nordhorn. „Wie schon letztes Jahr beim Angriff auf die Ukraine hatten wir vor rund drei Wochen mit einem Mal ein ganz anderes Thema an der Schule, als im Lehrplan vorgesehen war. Wieder sind wir für Friedensgebete zusammengekommen und haben an dem Montag nach dem grauenhaften Terroranschlag der Hamas auf Israel eine Gedenkminute gehalten. Seitdem spielen die Nachrichten aus dem Nahen Osten immer wieder eine Rolle im Unterricht. Dabei ist besonders die politische Lage für Laien häufig unübersichtlich und die Mediendarstellung zuweilen tendenziös, so dass es auch uns Lehrkräften hier und da schwerfällt, den Konflikt angemessen im Unterricht zu besprechen und für die Schülerinnen und Schüler seriöse Antworten zu geben.“
Die Schule hat keine Kinder mit jüdischen oder palästinensischen Wurzeln – aber eine Partnerschule im israelischen Haifa. „Unsere Gedanken sind besonders bei den Schülerinnen und Schülern und dem Kollegium dort. Es ist eine grausame Vorstellung, dass Jugendliche, die vor drei Jahren noch als Gastschüler unsere Schule besucht haben, nun in der israelischen Armee ihr Land verteidigen müssen“, so Potgeter.
Themenseite des RPI wird laufend erweitert
Der Krieg in Israel ist für viele nicht fern. Wie können Lehrkräfte oder auch andere Gruppenleitende gut auf Fragen und Unsicherheiten von Kindern und Jugendlichen reagieren? Für einen möglichst objektiven Überblick hat das Religionspädagogische Institut Loccum (RPI) eine Themenseite mit Materialien, Informationen und Statements zum Frieden zusammengestellt und überprüft und ergänzt sie laufend.
„Für gewaltvolle Konflikte wie in der Ukraine oder Bergkarabach hatten wir bereits viele Informationen zusammengestellt – nun haben wir die Thematik rund um die Hamas und Israel ergänzt“, sagt Bettina Wittmann-Stasch, stellvertretende Leiterin des RPI und Leiterin des Bereiches Schulseelsorge. Ziel sei zunächst, Lehrkräfte und Gruppenleitende in die Lage zu versetzen, sich mit den Fragen der Schülerinnen und Schüler fundiert auseinander zu setzen.
„Wir haben vermutlich aufgrund der Ferien noch kaum Anfragen, aber ich erwarte, dass der Krieg besonders an Berufsschulen ein Thema wird, weil dort Religionsunterricht konfessionsübergreifend erteilt wird. Da wird es große Emotionen geben. Eine politische Lösung wird es im Klassenzimmer natürlich nicht geben – es geht darum, Raum für Diskussionen zu geben und dabei eine klare Grenze zu definieren: dass es keine Propaganda geben darf, dass es um Grund- und Menschenrechte geht und nicht um ein Gegeneinander der Religionen.“ Aus der deutschen Geschichte heraus erwachse zudem die Verpflichtung an der Seite Israels zu stehen – was jedoch nicht bedeute, Kritik an der Politik auszuklammern.
Seelsorglich könne der erste Schritt sein, die Menschlichkeit ins Zentrum zu stellen und festzuhalten, dass alle Kinder, auch jene in Israel und Gaza, ein Lebensrecht haben. „Das ist der Konsens, an dem man sich auf jeden Fall orientieren kann“, so Wittmann-Stasch. „Darüber hinaus ist es schwierig, wirklich etwas zu tun. Wir können die Lage aus Deutschland heraus kaum ändern. Beten und immer wieder unsere Solidarität bekunden, das ist natürlich eine Möglichkeit. Welche Aktionen darüber hinaus sinnvoll sind, überlegen wir auch noch weiter.“
Und wie gehen die Nordhorner mit der Situation um? „Wir Lehrkräfte machen immer wieder klar, dass wir an der Seite Israels stehen und jeglichen Antisemitismus und Terrorismus verurteilen – und wir beten weiterhin für alle Opfer dieses Terroranschlages, zu denen auch Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung gehören. Und natürlich sehnen wir uns nach Frieden“, sagt Verena Potgeter. „Wichtig ist uns aber auch die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in unserer Gesellschaft und die Solidarität mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland. Ganz bestimmt werden wir noch nach Wegen suchen, wie wir ganz konkret unsere Solidarität ausdrücken können.“
Die Schule ist gerade auf dem Weg, das ökumenische Gütesiegel für Antisemitismusprävention und -intervention an kirchlichen Schulen der Sekundarstufen zu erwerben, sagt Potgeter. „Judenfeindlichkeit hat keinen Platz an unserer Schule.“